1. - Wieso ist R-Motorsport aus der DTM ausgestiegen?

R-Motorsport spricht von einer Neubewertung des Motorsport-Engagements, in dem die DTM nicht zielführend sei. Tatsächlich geht es ums Finanzielle. R-Motorsport konnte mit Audi und BMW nicht ansatzweise mithalten. Das innerhalb von nur drei Monaten von Technikpartner HWA auf die Beine gestellte Projekt konnte sich mit den Budgets der beiden deutschen Autobauer nicht messen.

"Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Projekt mit Blick auf Performance ein schwieriges war", sagte R-Motorsport Teamchef Dr. Florian Kamelger. "Wir haben in ganz anderen Dimensionen und zur Verfügung stehenden Budgets gearbeitet als die großen Hersteller."

Der Rückstand zeigte sich am eindrücklichsten in der Herstellerwertung. Aston Martin belegte abgeschlagen den dritten Platz mit 49 Punkten. Zum Vergleich: Audi holte den Titel mit 1.132 Zählern, BMW beendete eine schwierige Saison auf dem zweiten Platz mit 550 Punkten. Kamelger: "Zum Schluss haben wir - mit Verlaub - nichts gerissen."

2. - Welche Folgen hat der Ausstieg für HWA?

Die Trennung vom einstigen Joint-Venture-Partner hatte sich nach Informationen von Motorsport-Magazin.com schon zur Mitte der Saison 2019 abgezeichnet. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete nach dem DTM-Aus von R-Motorsport, dass es auch wegen ausstehender Zahlungen zum Ende der Zusammenarbeit mit der HWA AG und damit zum Ausstieg aus der Serie gekommen sei.

Im Gegenzug legte - wie einer Anmerkung der FAZ zu entnehmen ist - R-Motorsport wert auf die Feststellung, dass das 'Gerücht, dass einige Rechnungen' während des Engagements in der DTM 2019 'nicht wie vereinbart beglichen wurden, nicht den Tatsachen', entspreche.

Für die HWA AG war die DTM-Partnerschaft mit R-Motorsport tatsächlich ein großes Verlustgeschäft. Wie aus einer Adhoc-Meldung des börsennotierten Unternehmens aus Affalterbach hervorgeht, ist ein Kostenaufwand in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrages zu erwarten.

Dieser werde laut HWA nach aktuellem Stand nicht kompensiert. "Den in der HWA AG entstandenen Verlust des DTM Projektes trägt demnach die HWA AG alleine", heißt es weiter in der Börsenmeldung. Das Kapitel zwischen HWA und R-Motorsport ist noch nicht beendet. Der HWA-Vorstand hat angekündigt, eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu verfolgen.

3. - Welche Lösungen wären für R-Motorsport denkbar gewesen?

Bis zuletzt versicherte R-Motorsport, 2020 wieder in der DTM antreten zu wollen - und nicht wenige Verantwortliche in der DTM zeigten sich vom Ausstieg überrascht. Möglichkeiten einer Fortsetzung auch ohne HWA hätte es offenbar gegeben. Zunächst führte R-Motorsport Gespräche mit Audi über den Kauf von Motoren und auch (gebrauchten) Monocoques. Ein Deal kam nicht zustande, laut Kamelger, weil BMW ein besseres Gesamtpaket angeboten habe.

Es gab tatsächlich eine Einigung mit dem Autobauer aus München. BMW bestätigte, für die Lieferung von Motoren bereitgewesen zu sein und die Verhandlungen nicht abgebrochen zu haben. Zu einer Einigung kam es ebenfalls nicht.

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com hatte R-Motorsport zuletzt der HWA AG ein Angebot gemacht für die Übernahme der vier DTM-Fahrzeuge sowie eines Testträgers, die aktuell in Affalterbach stehen. Das Angebot war laut HWA-Gründer Hans Werner Aufrecht auf den 31. Januar 2020 befristet - am 24. Januar, also eine Woche vor Ablauf, gab das Team jedoch sein DTM-Aus bekannt.

Dr. Florian Kamelger mit Dieter Gass (Audi) und Jens Marquardt (BMW), Foto: LAT Images
Dr. Florian Kamelger mit Dieter Gass (Audi) und Jens Marquardt (BMW), Foto: LAT Images

4. - Könnten 2020 trotzdem Aston Martin Vantage in der DTM starten?

Darüber gibt es zahlreiche Spekulationen. HWA-Gründer Hans Werner Aufrecht erklärte exklusiv bei Motorsport-Magazin.com: "Wir haben Gerhard Berger bezüglich des Einsatzes eines oder mehrerer Aston Martin in der Saison 2020 ein Angebot gemacht." Allerdings glaubte Aufrecht nicht an eine mögliche Finanzierung.

Zu Aufrechts Angebot - das er wiederholte ("Dieses Angebot gilt weiterhin.") - einen oder mehrere Aston Martin Vantage DTM in der Saison 2020 einzusetzen, sagte Gerhard Berger auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Ja, das ist richtig. Selbstverständlich spreche ich mit HWA, um alle Möglichkeiten auszuloten. Am Ende des Tages ist das Ganze aber eine Frage der Finanzierung - und die wird wahrscheinlich schwer zu stemmen sein."

R-Motorsport hielt 2019 die exklusive Lizenz, in der DTM Fahrzeuge mit einer Silhouette des Vantage-Modells einzusetzen, wie das Team auch gegenüber Motorsport-Magazin.com mitteilte. Dabei soll es sich um eine Lizenz mit der Dauer von drei Jahren handeln.

Auf die konkrete und mehrfache Nachfrage, ob Aston Martin angesichts des DTM-Ausstieges von R-Motorsport die Möglichkeit in Betracht ziehen könnte, die exklusive Lizenz zum Einsatz von Fahrzeugen mit einer Silhouette des Vantage-Modells in der DTM einem anderen DTM-Wettbewerber in der Saison 2020 zur Verfügung zu stellen, heißt es seitens Aston Martin nur: "Alle Rechte am Aston Martin Vantage und seinen Derivaten liegen vollständig bei Aston Martin Lagonda." Als eindeutige Absage kann diese Antwort nicht verstanden werden.

Formel 1 2020 - Aston Martin: DTM raus, F1 rein! (10:45 Min.)

5. - Wie geht es mit den Fahrern von R-Motorsport weiter?

Paul Di Resta, Daniel Juncadella, Ferdinand Habsburg und Jake Dennis gingen 2019 für Aston Martin an den Start. Ein Teil der Fahrer wird in das GT-Programm von R-Motorsport eingebunden, wie der Brite Dennis beim 12-Stunden-Rennen in Bathurst. DTM-Rookie Habsburg hat bereits angekündigt, sein Programm in Kürze bekanntgeben zu wollen. Er hatte sich vor einem Jahr mit R-Motorsport auf Einsätze sowohl in der DTM als auch im GT-Sport geeinigt.

Nicht mehr für R-Motorsport antreten wird Di Resta. Der DTM-Champion von 2010 hat in der WEC eine neue sportliche Heimat gefunden. Der Abschied steht seit einer Weile fest, wie Kamelger erklärte: "Wir werden nicht mit Paul weitermachen. Das steht schon länger fest und hat mit dieser Entscheidung (DTM-Ausstieg; d. Red.) nichts zu tun."

Der Vierer-Kader von R-Motorsport in der Saison 2019, Foto: R-Motorsport
Der Vierer-Kader von R-Motorsport in der Saison 2019, Foto: R-Motorsport

6. - Wie reagieren Berger, Audi und BMW?

"Der Schritt von R-Motorsport kommt zu einem späten Zeitpunkt. Wir sind von einem längeren DTM-Engagement des Teams ausgegangen", monierte DTM-Chef Gerhard Berger die Entscheidung weniger als drei Monate vor dem Saisonauftakt in Zolder (24.-26. April).

Im Gegensatz zum frühzeitig angekündigten Mercedes-Ausstieg im Juli 2017 ist diesmal eine enorm kurzfristige Lösung gefragt, um ein einigermaßen attraktives Starterfeld aufbieten zu können. Audi und BMW haben ihre Unterstützung zugesagt.

Audi-Motorsportchef Dieter Gass: "Die ITR und hier besonders Gerhard Berger sind momentan in intensiven Gesprächen mit möglichen Teams und Herstellern. Wir wissen, dass es keine leichte Aufgabe ist, dies in den verbleibenden drei Monaten bis zum Saisonstart zu schaffen, aber wir sind sicher, dass wir auch in der Saison 2020 den DTM-Fans ein attraktives Starterfeld präsentieren können."

Erst einmal seien kurzfristige Lösungen gefragt, sagte BMW Motorsport-Direktor Jens Marquardt. Darüber hinaus forderte er: "Grundsätzlich bieten sich mit dem internationalen Class-1-Reglement, der geplanten Hybridisierung der Motoren sowie der Vision einer vollelektrischen Serie viele gute Perspektiven. Um das Potenzial der Serie jedoch mittel- und langfristig voll ausschöpfen zu können, ist die Teilnahme weiterer Hersteller essenziell."

7. - Kann der Ausstieg kompensiert werden?

Neben Audis und BMWs könnten japanische Rennwagen den Ausstieg von R-Motorsport kompensieren und das aktuelle Starterfeld von 14 Autos vergrößern. Honda mit dem neuen Frontmotor-NSX-GT und Toyota mit der brandneuen Supra gelten als potenzielle Kandidaten, nur Nissan kommt nach Informationen von Motorsport-Magazin.com nicht in Frage.

Ein Austausch mit den Japanern ist seit längerer Zeit im Gespräch, zuletzt trafen sich die Vertreter beim sogenannten 'Dream Race'-Showrennen in Fuji im November 2019. Was zunächst frühestens ab 2021 angedacht war, könnte nun ganz schnell in die Tat umgesetzt werden: Japanische Class-1-Autos im permanenten Starterfeld der DTM-Saison 2020.

Audi hat bereits 2019 den Anfang gemacht und zusammen mit dem neuen Kundenteam WRT acht Audi RS 5 an den Start gebracht. Der Erfolgsrennstall aus Belgien hat mit dem Schweizer Fabio Scherer und IndyCar-Rückkehrer Ed Jones sein Fahreraufgebot für dieses Jahr bestätigt.

Jetzt ist BMW gefragt, nachzuziehen - und die Chancen dafür scheinen gut zu stehen. Zuletzt gab es vermehrt Gerüchte, dass Robert Kubica mit einem Kundenteam einsteigen könnte. Das Budget - pro Auto gelten in der Szene mindestens drei Millionen Euro als Richtwert - könnte unter anderem von Kubicas langjährigem Sponsors PKN Orlen, einem börsennotierten polnischen Mineralölveredeler und Tankstellenbetreiber, kommen.

Im BMW-Werksaufgebot ist für Kubica kein Platz mehr frei. Die Neuzugänge Jonathan Aberdein - ehemals WRT - und Lucas Auer gesellen sich zu Marco Wittmann, Philipp Eng, Timo Glock und Sheldon van der Linde. Audi tritt mit der selben Sechser-Besetzung wie im Vorjahr an.

DTM-Starterfeld 2020: Aktueller Stand (07. Februar)

AudiBMWAudi-Team WRT
Rene RastMarco WittmannFabio Scherer
Nico MüllerPhilipp EngEd Jones
Mike RockenfellerTimo Glock
Robin FrijnsSheldon van der Linde
Loic DuvalLucas Auer
Jamie GreenJonathan Aberdein

8. - Ist die Zukunft der DTM gefährdet?

Kurzfristig nicht, die Durchführung der Saison 2020 gilt als gesichert. Darüber hinaus ist unklar, wie es weitergeht. Zunächst einmal liegt der Fokus auf einer schnellen Lösung, ein einigermaßen attraktives Starterfeld zu präsentieren.

Der Ausstieg von R-Motorsport könnte die geplante Internationalisierung beschleunigen. Auch den bedachten Partnern aus Japan dürfte sehr daran gelegen sein, das junge Class-1-Reglement zum Erfolg zu führen.

DTM-Chef Berger nahm zuletzt die Branche in die Pflicht. "Ich selbst frage mich: Wo ist die deutsche Automobilindustrie, außer BMW und Audi natürlich?", sagte der Österreicher bei Auto-Motor-und-Sport. "Die DTM-Plattform ist nach der Formel 1 und der Nascar die größte und beste Plattform für Hersteller." Berger vermisste, dass die deutsche Automobilindustrie dieses Besitzgut pflegt, wie er es selbst ausdrückte.

Der frühere Formel-1-Fahrer mahnte weiter: "Ich sehe keinen Ersatz für die DTM, wenn man diese Plattform schließen würde. Sie würde verloren gehen. Wenn man so etwas später mal wiederaufbauen wollte, müsste man viel Geld in die Hand nehmen und Zeit reinstecken."