Nur 470 Tage lang dauerte das DTM-Abenteuer von R-Motorsport. Diese Zeitspanne liegt zwischen der offiziellen Bekanntgabe zum Einstieg am Rande des DTM-Finales im Oktober 2018 auf dem Hockenheimring und der Nachricht, nach nur einer Saison aus der Tourenwagenserie auszusteigen.

"Der Schritt von R-Motorsport kommt zu einem späten Zeitpunkt. Wir sind von einem längeren DTM-Engagement des Teams ausgegangen", monierte DTM-Chef Gerhard Berger die Entscheidung weniger als drei Monate vor dem Saisonauftakt in Zolder (24.-26. April).

Im Gegensatz zum frühzeitig angekündigten Mercedes-Ausstieg im Juli 2017 ist diesmal eine enorm kurzfristige Lösung gefragt, um ein einigermaßen attraktives Starterfeld aufbieten zu können. R-Motorsport sprach in seiner Pressemitteilung zum DTM-Ausstieg von einer Neubewertung und Neudefinition des Motorsport-Engagements, in dem die DTM nicht zielführend sei.

Kamelger: Berger war nicht verzückt

Den Schritt zu diesem späten Zeitpunkt verteidigte R-Motorsport-Teamchef Dr. Florian Kamelger während einer Telefon-Konferenz wenige Stunden nach dem Ausstieg. "Die Bekanntgabe so spät zeigt, wie intensiv wir gemeinsam daran gearbeitet haben", sagte er. "Ich sehe auch, dass es sehr spät ist. Es ist auf der anderen Seite aber nicht so, dass die Entscheidung erst gestern gefallen ist."

Schon Anfang Dezember 2019 gab es nach Informationen von Motorsport-Magazin.com Anzeichen, dass das ehrgeizige Projekt der Schweizer nicht fortgeführt werden könnte.

Es habe laut Kamelger im Vorfeld immer wieder Gespräche auch mit Gerhard Berger gegeben, die in letzter Zeit konkreter geworden seien. Eine solche Entscheidung werde nicht ad-hoc getroffen und "wo man nicht als guter Manager versucht, die Hebel in Bewegung zu setzen und zum Schluss eine Lösung zu finden, die zielführend ist. Wir haben keine Lösung gefunden, die DTM nicht zu verlassen".

Mehrere Verantwortliche in der DTM zeigten sich jedoch überrascht vom R-Motorsport-Ausstieg. Sie wurden erst einen Tag vor der Bekanntgabe in Kenntnis gesetzt. Berger sei "nicht verzückt" gewesen von der Entscheidung, räumte Kamelger ein und fügte an: "Das verstehe ich auch. Trotzdem sind wir Profis genug, dass wir alle professionell agieren und reagieren."

Dr. Florian Kamelger, Audi-Motorsportchef Dieter Gass und BMW Motorsport-Direktor Jens Marquardt, Foto: LAT Images
Dr. Florian Kamelger, Audi-Motorsportchef Dieter Gass und BMW Motorsport-Direktor Jens Marquardt, Foto: LAT Images

Kamelger: Großes Entgegenkommen von BMW

Zuletzt führte R-Motorsport Gespräche mit BMW Motorsport über Möglichkeiten, auch 2020 in der DTM anzutreten. Das bestätigte Kamelger erstmals offiziell. "Wir hatten ein sehr großes Entgegenkommen zum Motor und anderen Dingen von BMW", so Kamelger. "Wir hatten also mit BMW einen Deal für die Motoren in dieser Saison. Wir hatten sowohl als Aufbauteam als auch als Einsatzteam die nötigen Alternativen."

BMW bestätigte auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com, für die Lieferung von Motoren bereitgewesen zu sein und die Verhandlungen nicht abgebrochen zu haben. "Über die letzten Wochen, wo die Entscheidung doch sehr greifbar wurde, haben wir sie nicht zurückgezogen, sondern einige Dinge neu evaluiert und ausgelotet", sagte Kamelger, der von einer schweren, aber bewussten Entscheidung zum Ausstieg aus der DTM sprach.

R-Motorsport: Angebot an HWA

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com hatte R-Motorsport der HWA AG zuletzt ein Angebot gemacht für die Übernahme der vier DTM-Fahrzeuge sowie eines Testträgers, die aktuell in Affalterbach stehen. Das Angebot war laut HWA-Gründer Hans Werner Aufrecht auf den 31. Januar 2020 befristet - am 24. Januar, also eine Woche vor dem Ablauf, gab das Team jedoch das DTM-Aus bekannt.

Möglichkeiten für eine Zukunft in der DTM hatte R-Motorsport schon wesentlich früher ausgelotet. Nachdem sich die Trennung von DTM-Technikpartner HWA bereits zur Mitte der Saison 2019 angebahnt hatte, wie Motorsport-Magazin.com mehrfach berichtete, wandte sich das Team an Audi Motorsport.

Motoren und Monocoques: Anfrage an Audi

Dabei erfragte R-Motorsport sowohl Preise für die von den Ingolstädtern entwickelten Turbo-Motoren sowie für - sogar gebrauchte - Monocoques. Die Absage erfolgte später seitens R-Motorsport, obwohl Insider zu diesem Zeitpunkt überzeugt waren, dass bessere Konditionen als die von Audi Motorsport gemachten nicht möglich gewesen seien.

Kamelger dazu: "Es gab Gespräche mit Audi zu verschiedenen Themen, auch bezüglich des Motors. Aus verschiedenen Gründen sind wir nicht zum Abschluss gekommen. Was BMW uns bieten wollte, war im Gesamtpaket besser. Das heißt nicht, dass sich Dieter Gass und Audi nicht gestreckt hätten, um Hilfestellung zu leisten bei verschiedenen Dingen, die angefallen sind, beispielweise einen neuen Motor zu haben."

Die Partnerschaft aus R-Motorsport und Aston Martin bleibt nach dem DTM-Aus in anderer Form bestehen. Am vergangenen Wochenende setzt das Team zwei GT3-Vantage beim 12-Stunden-Rennen von Bathurst, dem Saisonauftakt der Intercontinental GT Challenge (IGTC), ein. Gleichzeitig ein wesentlich kostengünstigeres Projekt als die DTM. Kamelger: "Es war an der Zeit, zu realisieren, dass eine Investition schwierig abbildbar ist von unserer Seite."