Der Hype um die Elektrifizierung hat längst auch den Motorsport erreicht. Autobauer aus aller Welt rennen der Formel E die Türen ein, um auf den Zug aufzuspringen. Traditionelle Verbrenner-Rennserien wie die DTM haben es hingegen nicht leicht in diesen unsteten Zeiten, in denen das Thema 'Umwelt' groß geschrieben wird wie nie zuvor.

Doch ist die Tourenwagenserie mit ihrer 35-jährigen Geschichte wirklich dieses unzeitgeistige Ungetüm, als das sie gern einmal in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird? Nicht zuletzt, weil sie 20 Jahre lang auf den mehr oder weniger gleichen V8-Motor vertraute, der mit seinen vier Litern Hubraum nicht unbedingt ins aktuelle Automobilportfolio passte?

Dass die DTM zu dieser Saison tatsächlich eine neue Turbo-Ära eingeleitet hat, war über den Winter 2018 eine große Geschichte. Mit jedem weiteren Saisonrennen nahm die Aufmerksamkeit der Motoren jedoch ein Stück weit ab. Aus technischer Sicht standen eher die durch Vibrationen ausgelösten Schwierigkeiten im Vordergrund, während der hocheffiziente Zwei-Liter-Turbo vor sich hinsurrte.

Dabei wummern in den DTM-Rennwagen wahre Meisterwerke der Technik - vor allem im Vergleich zum arrivierten Vorgänger, der bis ans Limit ausgereizt war. Die Hälfte des Hubraums, höhere Leistung, niedrigerer Verbrauch - das sind die Kennzahlen der DTM-Motorengeneration 2019.

DTM-Video: Technik-Talk mit Schaeffler

DTM 2019 - Technik-Special: Schaeffler Headline Talk: (16:57 Min.)

Berger: Einer der effizientesten Motoren

"Unser DTM-Motor ist einer der besten und effizientesten, die es gibt", sagt DTM-Boss Gerhard Berger. "Manchmal wünsche ich mir, dass wir das mehr kommunizieren, weil einigen Leuten nicht so bewusst ist, dass diese Motoren besonders effizient sind."

Und das sind sie, wie allein die Zahlen zeigen. So wiegt der Rumpfmotor der neuen Turbo-Aggregate mit 85 Kilogramm beinahe nur die Hälfte seines V8-Vorgängers. Dadurch sank das Mindestgewicht der Rennwagen auf äußerst schlanke 981 Kilogramm und ergibt ein Leistungsgewicht von rund 1,6 Kilo pro PS. Das passt perfekt zum Kodex, der ebenso für Straßenautos gilt: Weniger Gewicht gleich mehr Leistung.

Sicherlich wäre es den findigen Ingenieuren ein Leichtes, unheimlich viel mehr Leistung aus den Turbos herauszukitzeln. Um die Kosten auf längere Sicht aber im Zaum zu halten - die gesamte Entwicklung der Turbo-Motoren in Kombination mit dem DTM-Einsatz 2019 hat laut Informationen von Motorsport-Magazin.com bis zu 100 Millionen Euro verschlungen - greift das Reglement ein.

Der Turbo-Motor von BMW trägt die interne Bezeichnung BMW P48, Foto: BMW Motorsport
Der Turbo-Motor von BMW trägt die interne Bezeichnung BMW P48, Foto: BMW Motorsport

Hohe Verdichtung - guter Wirkungsgrad

Die Leistung ist durch eine reglementbedingte Durchflussbegrenzung des Kraftstoffs (Aral Superplus mit 102 Oktan wie an der Tankstelle) auf 95 kg/h limitiert. Der V8-Vorgänger hatte seinerseits eine Luftmengenbegrenzung. Genau wie in der Serie lautete also in der DTM die Aufgabenstellung, mit hoher Verdichtung und gutem Wirkungsgrad das Maximum aus dem zur Verfügung stehenden Kraftstoff zu holen.

Audi hatte bereits 2001 bei den 24 Stunden von Le Mans erfolgreich die Turboaufladung mit einer Benzindirekteinspritzung kombiniert und die TFSI-Technologie kurz darauf bei seinen Serienmodellen eingeführt. Beim BMW M4 DTM kam die aus den Serienmotoren bekannte Hochdruck-Direkteinspritzung genauso zum Tragen wie eine in vielen Simulationen erprobte Gemisch-Aufbereitung und Verbrennung, die einen Betrieb im sogenannten Magerbetrieb erlaubt.

Großes Thema: CO2-Reduktion

"Der DTM-Motor hat einen extrem niedrigen spezifischen Verbrauch, der sich inzwischen in Regionen bewegt, wo sie früher typischerweise bei Dieselmotoren waren", erklärt Audis 'Motoren-Papst' Ulrich Baretzky. "Wir zeigen in puncto Gewicht und Leichtbau - gerade unter dem Aspekt der CO2-Vermeidung - ein paar Wege auf, die in Zukunft hoffentlich auch den Weg auf die Straße finden."

CO2-Reduktion ist ein großes Thema auch für die DTM. Zu sehen beim DTM-Finale auf dem Hockenheimring, als ein von Emerson Fittipaldi gesteuertes Audi-Renntaxi mit einem Spezial-Kraftstoff von Aral unterwegs war, der eine um 30 Prozent bessere CO2-Bilanz verspricht und in ähnlicher Weise in Zukunft auch durch die DTM-Rennmotoren fließen soll.

"Den Verbrennungsmotor darf man jetzt nicht in die Ecke stellen, man sollte und muss ihn weiterentwickeln", fordert DTM-Chef Berger und spricht damit vielen Vertretern der Automobil-Branche aus der Seele. "Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit Hybrid und neuen Kraftstoffen. Das ist bei uns Tagesgespräch."

Heiße Nummer: Audis Turbo-Motor auf dem Prüfstand, Foto: Audi Communications Motorsport
Heiße Nummer: Audis Turbo-Motor auf dem Prüfstand, Foto: Audi Communications Motorsport

100 PS mehr - 10 Prozent mehr Effizienz

Die Effizienz zeigt sich auch ganz konkret auf der Rennstrecke. So leistet der Turbo-Motor nicht nur über 100 PS mehr als der ausgereizte V8-Vorgänger, sondern wartet gleichzeitig mit einer um 10 Prozent höheren Effizienz auf.

Und das bei einer für einen Rennmotor durchaus beeindruckenden Laufleistung. Nach Angaben von Audi hatte der Motor von WRT-Rookie Pietro Fittipaldi zum Saisonende mehr als 5.000 Kilometer auf dem Tacho. Per Reglement standen den Herstellern pro Fahrzeug 1,5 Motoren zur Verfügung. Experten rechnen mit einer noch höheren Zuverlässigkeit in der neuen Saison, wenn die Daten aus 2019 gebündelt in die Arbeit einfließen.

Dabei liefern die Turbo-Motoren der heutigen Generation samt ihrer Peripherie beeindruckende Werte - vor allem im Vergleich zur Vergangenheit im Motorsport.

BMW rechnet vor: Mit 0,98 bar Überdruck erreichten die Turbo-Rennmotoren der ersten Generation ca. 280 PS bei 6.500 U/min. Das Abgasgebläse war zwar theoretisch in der Lage, einen Ladedruck von 1,76 bar zu entwickeln, doch der Druck im Zylinder wäre so gewaltig gewesen, dass sich der Zylinderkopf angehoben hätte. Heute sind bei mehr als 600 PS Ladedrücke von bis zu 2,5 bar Überdruck möglich.

Zwischen diesen BMW-Rennmotoren mit Turbo liegen 50 Jahre, Foto: BMW
Zwischen diesen BMW-Rennmotoren mit Turbo liegen 50 Jahre, Foto: BMW

400 Liter Luft pro Sekunde

Oder greifbarer ausgedrückt: Der Turbolader drückt 400 Liter Luft pro Sekunde in den Motor - 3.500 Mal so viel, wie ein Mensch atmet. Die Kolben beschleunigen von null auf 100 km/h in weniger als einer Tausendstelsekunde - 1.200 Mal schneller als eine Mondrakete. Die Wasserpumpe setzt in einer Stunde zirka 18.000 Liter um. Eine Badewanne würde sich so in zirka 20 Sekunden füllen.

Die für vermutlich 2022 geplante Einführung von Einheits-Hybridsystemen stellt den nächsten Schritt in der Entwicklung der DTM-Technologie dar. Neben dem Nachhaltigkeitsgedanken soll dabei auch die Performance nicht zu kurz kommen, sprich: Der Rennfahrer soll bei der Verwendung im Fokus stehen. "Die DTM ist eine Fahrer-Serie und so soll es auch mit neuen Systemen bleiben", fordert BMW Motorsport-Direktor Jens Marquardt.

Und dass die DTM trotz E-Hype, Formel E und Co. ohnehin ihre Daseinsberechtigung hat, davon ist Audi-Motorsportchef Dieter Gass überzeugt: "Mittelfristig werden wir auf der Straße mehr Verbrennungsmotoren sehen als elektrische Fahrzeuge. Deshalb sind andere Rennserien nach wie vor gefragt und bleiben ein wichtiges Vermarktungs-Werkszeug. Die Diskussion führen wir ja auch immer wieder bei der DTM. Aber mit den teuren Modellen in unserem Programm wird letztendlich das Geld verdient. Wenn ich die verkaufen möchte, muss ich etwas dafür tun. Dafür ist die DTM nach wie vor die ideale Plattform."