Er war der Überflieger bei der DTM-Premiere in Assen: BMW-Aushängeschild Marco Wittmann. Dem Sieg beim regnerischen Samstags-Rennen ließ er am Sonntag eine wahnsinnige Aufholjagd vom letzten bis auf den zweiten Platz folgen.

Hier war diesmal nicht eine Safety-Car-Lotterie verantwortlich, sondern Wittmanns geschicktes Reifen-Management, das im Rennen bei trockenen Bedingungen absolut ausschlaggebend war.

Das waren auch seine Leistungen mit Blick auf die Meisterschaft. Hinter den beiden Audi-Spitzenreitern Rene Rast und Nico Müller verbesserte sich Wittmann auf den dritten Gesamtrang. Dem zweifachen DTM-Champion gelang es in Assen, die meisten Punkte der Top-3 in der Meisterschaft zu erzielen. Seinen 46 Zählern stehen 33 bei Müller sowie 30 bei Rast gegenüber.

DTM-Saison 2019: Top-5 der Meisterschaft

PosFahrerHerstellerPunkte
1Rene RastAudi158
2Nico MüllerAudi136
3Marco WittmannBMW118
4Philipp EngBMW111
5Mike RockenfellerAudi94

Wittmanns Wochenende in den Niederlanden war eine absolute Achterbahnfahrt. Nach seinem dritten Saisonsieg am Samstag - die Auferstehung nach dem Pleite-Heimrennen am Norisring - hätte der zweite Renntag auf dem TT Circuit Assen kaum schlechter beginnen können.

Im Qualifying spielte Wittmann die Sensorik des BMW M4 DTM einen Streich und hinderte ihn daran, eine schnelle Rundenzeit fahren zu können. So musste er als Letzter ins Rennen starten - eine absolute Herkulesaufgabe angesichts der Tatsache, dass im zehnten Saisonrennen erst zum vierten Mal das Safety Car keine Rolle spielen sollte.

DTM Assen 2019, Sonntags-Rennen: Zusammenfassung und Highlights: (03:48 Min.)

"Nach dem Qualifying bin ich mit extrem viel Wut losgefahren", sagte Wittmann nach der Podestfeier bei Sat.1. Das sollte sich auszahlen: Der 29-Jährige überholte auf den ersten Metern mühelos das Trio von Aston Martin. Sicherlich nicht ganz ohne Mithilfe einiger ebenfalls weit hinten platzierter BMW-Markenkollegen fuhr Wittmann schon nach zehn Runden auf der sechsten Position.

Nach der Pflicht folgte die Kür: Wittmann legte nach seinem Pflicht-Boxenstopp in der 13. Runde (Undercut, weil er hinter Pietro Fittipaldi festhing) ein überragendes Reifen-Management an den Tag - als einziger der sechs BMW-Piloten wurde er dafür später mit Punkten belohnt. Wittmann gelang es sogar, sich gegen die stark aufgelegten Audis zur Wehr zur setzen.

DTM-Rennen in Assen: Boxenstopp-Strategien der Top-3

Fahrer1. Stint2. StintBoxenstopp-Zeit
Mike Rockenfeller17 Runden20 Runden40,855 Sekunden
Marco Wittmann13 Runden24 Runden41,513 Sekunden
Nico Müller14 Runden23 Runden46,776 Sekunden

"Ich hätte niemals gedacht, dass ich zu Ende fahren kann", wunderte sich Wittmann selbst. Er dehnte seinen zweiten Stint auf 24 Runden aus. Nur Audi-Fahrer Jamie Green blieb mit 26 Umläufen noch länger auf dem gleichen Reifensatz auf der Strecke.

Pole-Setter Rene Rast, später Fünfter, Loic Duval und die drei BMW-Piloten Philipp Eng, Timo Glock und Sheldon van der Linde mussten sogar einen zweiten Boxenstopp einlegen.

"Vor allem die Oberfläche des Hankook Rennreifens wurde durch das schnelle Herausbeschleunigen aus den Kurven stark belastet, was den Teams aber vorher von unseren Ingenieuren so mitgeteilt wurde", erklärte Manfred Sandbichler, Hankook Motorsport Direktor Europa. "Marco Wittmann hat gezeigt, dass man auch mit einem abbauenden Reifen schnelle Rundenzeiten fahren kann."

Auch Wittmann dachte während des Rennens über einen zweiten Boxenstopp nach, konnte sich trotz starker Vibrationen aber hinter Sieger Mike Rockenfeller als Zweiter über die Ziellinie retten. "Es hat sich ganz komisch angefühlt. Ich dachte, dass der Reifen hinten von der Felge fallen würde", meinte er hinterher.

Philipp Eng: Blick in einen Fahrer-Raum im Renntruck: (10:24 Min.)

Nur gegen Rockenfeller, der nach 2017 in Zandvoort seinen ersten DTM-Sieg seit zwei Jahren feierte, konnte Wittmann mit seinen vier Runden älteren Reifen nicht bestehen. Ohne größere Gegenwehr und mit Blick auf den Reifenverschleiß ließ er den Audi-Piloten ziehen. "Gegen Mike habe ich mich nicht so sehr verteidigt", bestätige Wittmann.

Etwas Glück hatte er obendrein, dass bei Nico Müllers Boxenstopp in Runde 14 nicht alles glatt lief. Die Abt-Crew brauchte 46,7 Sekunden für den Räderwechsel - fünf Sekunden länger als Wittmanns Mannschaft RMG. "Kann passieren", sagte Müller, der beim Zieleinlauf knapp zwei Sekunden Rückstand zu Wittmann aufwies und zum zweiten Mal in Assen einen Podestplatz erreichte.

Nach zehn von 18 Saisonrennen beträgt Wittmanns Rückstand auf Spitzenreiter Rast 40 Punkte. Wie wichtig das Assen-Wochenende war, erklärte der in der Meisterschaft bestplatzierte BMW-Pilot: "Sehr wichtig, sonst wird der Abstand größer und größer und irgendwann unmöglich zu erreichen. Wir gehen jetzt mit Zuversicht in die zweite Saisonhälfte und versuchen den Audis das Leben schwerer zu machen."