Herr Sandbichler, Hankook tritt in der DTM-Saison 2019 trotz neuer Rennwagen mit der gleichen Reifenmischung an wie im Vorjahr. Woran liegt das?
Manfred Sandbichler: Der Reifen war entwickelt und es stand auch nicht zur Diskussion, eine neue Spezifikation zu bringen. Der Reifen hat im vergangenen Jahr sehr gut funktioniert. Es stimmt, dass die neuen Turbo-Rennwagen ganz anders sind als ihre Vorgänger. Die Heckflügel sind viel größer, der Turbo-Motor ist bärenstark und verfügt über ein enormes Drehmoment. Aus den Kurven heraus haben die Autos wahnsinnige Kraft auf der Hinterachse. Das ist schon eine Herausforderung, bei der die Ingenieure der Hersteller sehr eng mit unseren Hankook-Ingenieuren zusammenarbeiten müssen, um das Fahrzeug in die optimale Balance zu bringen.

Wie fiel die Resonanz auf die Reifen nach den Testfahrten aus?
Manfred Sandbichler: Wir haben bei den Testfahrten vor der Saison das gesamte Spektrum erlebt. Die Hersteller müssen sich wirklich bemühen, das Fahrzeug an den Reifen anzupassen. Dafür muss auch der Fahrer das richtige Gefühl für die Reifen bekommen, weil der Turbo-Motor ja ganz anders reagiert als der V8. Das hatten Fahrer und Teams bei den Tests schon ganz gut im Griff.

Gibt es bestimmte Fahrer oder Hersteller, die besser mit den Reifen zurechtkommen als andere?
Manfred Sandbichler: Diese Diskussion ist so alt wie der Motorsport selbst. An einem Tag ist ein Fahrer mit dem Reifen top zufrieden, am nächsten schimpft er dann darüber, weil er nicht den besten Tag erwischt hat oder der Reifendruck vielleicht nicht richtig eingestellt war. Das kann man so einfach nicht sagen, dass ein Reifen auf einem Fahrzeug besser oder schlechter funktioniert.

Könnten die Teams in dieser Saison auf ungewöhnliche Strategien wie Doppel-Boxenstopps zurückgreifen?
Manfred Sandbichler: Möglich ist alles. Wir haben im vergangenen Jahr auch gelernt, dass es möglich ist, nach der ersten Runde die Reifen zu wechseln und auf diesem Satz das Rennen bis zum Schluss zu fahren. Danach sieht es in dieser Saison nicht mehr aus. Nach all den Daten, die wir gesammelt haben, zeigt sich, dass das eigentlich unmöglich ist. Ob sich das eine oder andere Team einmal für einen Doppel-Boxenstopp entscheidet, wissen wir nicht. Theoretisch ist es möglich. Die Frage ist aber, ob man damit so viel Zeit gutmachen kann. Das werden sich die Spezialisten auf den Simulationen genau anschauen.

Form-Check: Fahrer & Teams in der DTM 2019 (12:08 Min.)

Befürchten Sie Reifenschäden, die durch die höhere Leistung der Rennwagen ausgelöst werden könnten?
Manfred Sandbichler: Soweit werden wir es nicht kommen lassen, wenn wir das kontrollieren können. Wir werden von unserer Seite aus vom Engineering her alles unternehmen, damit der Reifen nicht in solch eine kritische Situation kommt. Wir werden unter der Kontrolle unserer Ingenieure schon bis ans Limit gehen, das gehört einfach zum Motorsport dazu. Aber wir werden versuchen, nicht darüber hinauszugehen.

2018 sorgte die Einführung eines Mindestkaltluftdruck während der zweiten Saisonhälfte für Diskussionen. Wie sieht es damit in diesem Jahr aus?
Manfred Sandbichler: Genau wie der Reifen gleich bleibt, bleibt auch der Mindestkaltluftdruck gleich. Daran werden wir nichts ändern. Es gibt natürlich Gründe, warum wir ihn eingeführt haben. Das hat etwas mit der Sicherheit zu tun, es handelt sich bei den Reifen schließlich um einen sicherheitsrelevanten Baustein. Deshalb haben wir die Drücke vorgegeben und dabei bleibt es auch.

Die DTM bestreitet 2019 zwei Joint-Events mit der Super GT. Wie steht Hankook dazu?
Manfred Sandbichler: Diese Events begrüßen wir sehr und wir sind der Meinung, dass die DTM mit der Internationalisierung den richtigen Weg eingeschlagen hat. Die Richtung stimmt und wir freuen uns auch auf die Zukunft.

Manfred Sandbichler im Gespräch mit Sebastian Vettel, Foto: Hankook
Manfred Sandbichler im Gespräch mit Sebastian Vettel, Foto: Hankook

In der japanischen Super GT herrscht ein Reifenwettbewerb. Wäre Hankook auch dafür aufgeschlossen?
Manfred Sandbichler: In der DTM macht ein Reifenwettbewerb überhaupt keinen Sinn. Das haben wir schon in anderen Serien erlebt: Sobald es einen Wettbewerb unterschiedlicher Reifenhersteller gibt, wird in der Entwicklung versucht, das absolute Limit zu finden. Das führt nicht selten dazu, dass die Hersteller übers Limit hinausschießen. Außerdem würden die Kosten extrem in die Höhe schießen. Wir als Hankook wären nicht bereit, diesen Weg zu gehen.

Hankook rüstet 2019 auch die neue W Series aus, die im Rahmenprogramm der DTM gastiert. Was halten Sie von der ersten Formel-Rennserie ausschließlich für Frauen?
Manfred Sandbichler: Ich fand die Idee vom ersten Augenblick an toll, mit Formelfahrzeugen auf diesem Niveau eine Serie zu gründen, in der überall Frauen im Einsatz sind, von der Ingenieurin bis zur Fahrerin. Da wollten wir unbedingt mitmachen. Weil die W Series auch in Regionen vorstößt, was die Bekanntheit des Motorsports angeht, die bisher verschlossen waren. Die Serie spricht eine neue Zielgruppe an Fans an, die bisher mit dem Motorsport vielleicht nicht so viel Kontakt hatte. Wir haben die Hoffnung, dass durch die W Series ein komplett neues Publikum entsteht.

Was wünschen Sie sich persönlich für die DTM-Saison 2019?
Manfred Sandbichler: Die DTM soll richtig spannend sein und sich in jeglicher Hinsicht attraktiv für die Fans präsentieren. Dafür steht das neue Motorenkonzept - und auch die Geräuschkulisse. Ich bin begeistert, wie die Turbo-Autos klingen. So muss sich ein echter Rennwagen anhören! Diese Spannung wünsche ich mir für die gesamte Saison bis zum Schluss.