DTM 2019: Audis neuer Turbo-Motor in Action (05:10 Min.)

Warum betreibt Audi weiter Motorsport mit Verbrennungsmotoren?
Ulrich Baretzky: Der Verbrennungsmotor hat noch eine lange Zukunft und ergänzt die Elektromobilität sehr gut. Wir beschäftigen uns bei Audi schon immer mit Hocheffizienz-Motoren - zuletzt jahrelang mit dem Diesel, jetzt wieder mit dem Benziner. Es gibt noch viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Auch in Verbindung mit alternativen Kraftstoffen kann man einen Verbrennungsmotor extrem umweltfreundlich darstellen.

Was versteht man unter einem "Hocheffizienz-Motor"?
Ulrich Baretzky: Es geht darum, mit hoher Verdichtung und sehr guten Wirkungsgraden das Maximum an Leistung aus dem zur Verfügung stehenden Kraftstoff herauszuholen - in der Serie genauso wie im Motorsport. In der DTM ist die Kraftstoffmenge, die zum Motor fließt, auf 95 Kilogramm pro Stunde begrenzt. Das hört sich nach sehr viel an, ist in Anbetracht der Leistung von über 610 PS aber nicht wirklich viel. Eine gesteigerte Fahrzeugperformance erhält man nur über den Weg der Effizienz. Und je effizienter der Motor ist, desto weniger Kraftstoff und damit Gewicht muss man mitschleppen.

Zweiliter-Vierzylinder-Turbomotoren, wie sie ab 2019 in der DTM zum Einsatz kommen, gelten derzeit als wichtigste Verbrennungsmotoren weltweit. Weshalb?
Ulrich Baretzky: Es geht um das Gesamtpaket und um das Thema Gewicht: Gewicht erzeugt Verbrauch, deshalb muss man Gewicht einsparen. Um einen Motor klein und leistungsfähig zu halten, führt am Vierzylinder kein Weg vorbei. Er passt sowohl längs als auch quer in fast alle gängigen Modelle des Audi- und Volkswagen-Konzerns und ist daher weit verbreitet. Er ist der zentrale Motor - ein Weltmotor.

Die DTM ist sehr lange mit V8-Saugmotoren gefahren. War der Schritt zum Vierzylinder-Turbo richtig?
Ulrich Baretzky: Der Schritt war überfällig. Den ersten Anlauf haben wir bereits vor mehr als zehn Jahren gemacht. Damals entstand das Konzept des Global Race Engine. Dieser Vierzylinder-Turbo wäre weltweit in vielen Rennserien einsetzbar gewesen. Das ist in Bezug auf Leistung, Gewicht und Abmessungen auch beim neuen DTM-Motor der Fall.

Seit wann beschäftigt sich Audi Motorsport mit dem neuen DTM-Motor?
Ulrich Baretzky: Die ersten Überlegungen und ein Grundkonzept gab es 2008. Richtig intensiv beschäftigen wir uns mit dem Motor seit Dezember 2014. Damals wurden die Weichen für eine gemeinsame Zukunft der DTM und der japanischen Super GT gestellt.

Ulrich Baretzky ist für die Entwicklung vieler erfolgreicher Audi-Rennmotoren verantwortlich, Foto: Audi Communications Motorsport
Ulrich Baretzky ist für die Entwicklung vieler erfolgreicher Audi-Rennmotoren verantwortlich, Foto: Audi Communications Motorsport

Verlief die Entwicklung des neuen DTM-Motors reibungslos?
Ulrich Baretzky: Der Vierzylinder-Motor ist per se kein einfacher Motor. Er ist vor allem sehr schwingungsintensiv. Man muss Dinge, die bei anderen Motoren jahrzehntelang vom Prinzip her problemlos funktioniert haben, neu denken. Da gab es einige Sorgenfalten, aber wir haben das mit viel Mühe und Arbeit in den Griff bekommen.

Warum ist die Abstimmung eines Turbomotors komplexer als die eines Saugmotors?
Ulrich Baretzky: Man hat mehr Stellschrauben, zum Beispiel Ladedruck, Ladelufttemperatur und Anpassung an die jeweilige Umgebung. Es ist nicht schwieriger, aber aufwendiger, das Maximum aus dem Motor herauszuholen. Der Motor ist auch relativ hoch verdichtet und dadurch klopfempfindlicher.

Erstmals gibt es in der DTM auch eine Push-to-Pass-Funktion. Welchen Einfluss hatte diese Funktion auf die Entwicklung?
Ulrich Baretzky: Der Motor wurde ursprünglich auf eine Leistung von rund 600 PS ausgelegt. Jetzt kommen für eine bestimmte Zeit noch einmal 30 PS drauf. Das erhöht die Gesamtbelastung massiv, auch wenn es nur für begrenzte Zeit ist.

Worauf dürfen sich die Fahrer freuen?
Ulrich Baretzky: Der Fahrer ist per se immer nur an Leistung und Drehmoment interessiert. Davon hat der Motor reichlich. Ihnen ist aber auch sofort aufgefallen, dass der Turbomotor etwas anders zu fahren ist als ein Saugmotor und sich das Auto aufgrund des niedrigeren Fahrzeuggewichts agiler verhält. Und der Motor ist sehr spontan, er dreht schnell hoch bis 9.500 Umdrehungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass so etwas Spaß macht.

Werden die Fans auch Spaß haben?
Ulrich Baretzky: Die Fans werden sich darüber freuen, wie ein Vierzylinder klingen kann, und die Achtzylindermotoren nicht vermissen. Gleich beim ersten Test in Estoril war ich beeindruckt, wie gut und aggressiv der Turbomotor klingt. Das wird ein absolutes Spektakel.

Der neue DTM-Motor verfügt über ein Anti Lag System (ALS). Was versteht man darunter?
Ulrich Baretzky: Das ALS hilft, das Turboloch zu beseitigen. In der Schubphase, also wenn der Fahrer zum Beispiel auf eine Kurve zufährt und bremst, wird der Turbolader künstlich auf Drehzahl gehalten. Wenn der Fahrer nach der Kurve wieder aufs Gas geht, hat er sofort Ladedruck.