Einige DTM-Teams haben ihre Möglichkeiten ausgereizt - zu weit, wie DTM-Exklusivausrüster Hankook findet. Deshalb mussten die Verantwortlichen des koreanischen Reifenherstellers handeln: Seit den Rennen im italienischen Misano gibt es, wie Motorsport-Magazin.com exklusiv erfahren hat, für den Rest der Saison für alle Teams einen verbindlich vorgeschriebenen Mindest-Kaltluftdruck in den profilosen Slickreifen. Das könnte Folgen haben.

Bis einschließlich der Rennen in Brands Hatch hat Hankook lediglich Empfehlungen für die Mindest-Kaltluftdrücke in den Slickreifen gegeben. Die wurden zuletzt aber von einigen Teams deutlich unterschritten. Deshalb kam es bei den Rennen in Zandvoort und Brands Hatch zu mehreren Reifenschäden.

Betroffen waren nach Informationen von Motorsport-Magazin.com Teams von Audi. Deren Fahrzeuge beziehungsweise Reifen waren offensichtlich und im wahrsten Sinne des Wortes auf der letzten Rille unterwegs. Bis in den Parc fermé schafften sie es noch - dort war dann endgültig die Luft raus!

"Wir haben festgestellt, dass in den letzten Rennen vor Misano die Kalt-Luftdrücke immer weiter abgesenkt wurden. Damit ist das Ganze zu einem sicherheitsrelevanten Thema geworden", erklärt Manfred Sandbichler, Hankook Motorsportdirektor Europe, auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com die Grauzone (Empfehlung) im Reglement, die, obwohl legal, nicht ungefährlich ist. "Deshalb ist der Mindest-Kaltluftdruck ab den Rennen in Misano keine Empfehlung mehr, sondern für alle Teams verbindlich!"

Bei Verstoß droht Disqualifikation

Sie müssen sich also auch bei den letzten sechs Rennen auf dem Nürburgring, Red Bull Ring und Hockenheim an die von Hankook vorgeschriebenen Mindest-Kaltluftdrücke in den Slickreifen halten. Verstößt ein Team gegen diese Anordnung, droht wegen eines Wettbewerbsvorteils in Verbindung mit einem Sicherheitsrisiko ein Wertungsausschluss. In Artikel 2.3 des Technischen Reglements der DTM 2018 heißt es: "Die Sportkommissare einer Veranstaltung können ein Fahrzeug ausschließen, dessen Konstruktion von ihnen oder dem Technischen Delegierten als gefährlich beurteilt wird."

Das Ende der extrem frühen Boxenstopps?, Foto: Hankook
Das Ende der extrem frühen Boxenstopps?, Foto: Hankook

Interessant ist die Vorgabe besonders mit Blick auf die Startphase eines DTM-Rennens. Hier versuchen die Teams je nach Strategie mit möglichst niedrigem Reifenluftdruck loszufahren, um eine möglichst große Auflagefläche des Gummis auf dem Asphalt zu erreichen. Die erhöhte Traktion kann einen Vorteil gegenüber anderen Autos mit sich bringen, sorgt aber zumeist für einen früheren Reifenwechsel.

Schluss mit den frühen Boxenstopps

In der Vergangenheit nutzten Teams häufig die Strategie eines extrem frühen Boxenstopps schon nach den ersten beiden Runden. So konnten sie sich einen taktischen Vorteil verschaffen und dabei gegen eine mögliche Safety-Car-Phase absichern. Mit der neuen Mindest-Kaltluftdruck-Regelung dürfte diese Strategie nun der Vergangenheit angehören.

Bezüglich der neuen Regularien dürfen Slickreifen vor dem Start bis zur Messung durch die Technischen Kommissare oder deren Beauftragte nicht auf dem Fahrzeug montiert sein. Direkt nach der Messung müssen die betreffenden Räder auf dem Fahrzeug montiert werden und der Reifenluftdruck darf nicht mehr angepasst werden. An Reifen, die beim Start nicht montiert sind, können jederzeit Messungen des Reifenluftdrucks durchgeführt werden.

Regelung zunächst bis Saisonende

Über diese Entscheidung, die nach einem Meeting der DTM-Dachorganisation ITR mit Hankook bereits in Misano getroffen wurde, informierte Renndirektor Sven Stoppe die Teams am Freitagabend in Misano schriftlich. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com beim Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) gilt diese Regelung zunächst bis zum Saisonende.

Wiedereinführung von Boxenstoppfenstern war angedacht, Foto: Hankook
Wiedereinführung von Boxenstoppfenstern war angedacht, Foto: Hankook

Zunächst war offenbar geplant, dass es wie zuletzt 2016 wieder sogenannte Boxenstopp-Fenster geben wird, also über Zeit und/oder Rundenzahl definierte Fenster, in denen die Fahrer ihren Pflichtboxenstopp absolvieren müssen. Die mögliche Wiedereinführung wird es laut ITR aber nicht geben.

Teams tappen jetzt im Dunkeln!

Stattdessen der Clou: Hankook behält sich aufgrund wechselnder Außentemperaturen vor, die Mindest-Kaltluftdrücke individuell vorzugeben. Will heißen: Erst am Donnerstag vor der jeweiligen Veranstaltung wird der Wert festgelegt und anschließend den Teams mitgeteilt.

Ein Szenario, dass einem Lotteriespiel gleicht, aber für große Spannung sorgen dürfte. Denn alle Hersteller und deren Teams können sich nicht wie bisher auf einen bestimmten Luftdruckwert einstellen. Sie tappen praktisch bei jeder Veranstaltung im Dunkeln! Dagegen weiß Hankook ziemlich genau, wie hoch der Mindest-Kaltluftdruck-Wert angesetzt werden muss, um ein frühes Stoppen zu verhindern.

Dabei dürfte auch interessant zu beobachten sein, ob und in welcher Form sich die bisherige Performance auf der Strecke verändert. Das könnte, unabhängig von möglichen Strafen, den Tabellenstand - Mercedes-AMG führt alle drei Wertungen überlegen an - noch gehörig durcheinander wirbeln.

Hankook: Keine Materialschäden seit 2011

Übrigens: Am kommenden Samstag bestreitet Hankook auf dem Nürburgring sein 111. Rennen als exklusiver Reifenlieferant in der DTM. Seit dem Beginn des Engagements 2011 hat es keine materialbedingten Reifenschäden gegeben.