Alex Zanardi ist ohnehin eine Frohnatur, doch Sonntagnacht war das Grinsen in seinem Gesicht noch breiter als üblich. Der beinamputierte 51-Jährige fuhr beim Nachtrennen der DTM in Misano völlig überraschend auf den fünften Platz und sorgte damit für die Sensation des spektakulären Debüts der Tourenwagenserie auf der italienischen Rennstrecke.

"Platz fünf, das ist die beste Pointe des Wochenendes", sagte Zanardi mit einem Lachen. "Ich nehme dieses Ergebnis sehr gerne mit, immerhin werde ich in meinem Alter nicht mehr allzu viele Gelegenheiten haben, solche Erfolge im Rennsport zu feiern." Dass er als Gaststarter nicht punkteberechtigt war - geschenkt.

Sicherlich profitierte Zanardi beim chaotischen Rennen am Sonntag vom einsetzenden Starkregen, der das Geschehen auf den Kopf stellte sowie von seiner Strategie, länger auf den Regenreifen zu fahren. So hatte er genau wie Sieger Joel Eriksson, Rene Rast, Robin Frijns und Edo Mortara eine Runde Vorsprung auf den Rest des Feldes, als das Safety Car ausrückte.

Zanardi: Glück muss man sich erarbeiten

Zanardi: "Ich bin in der Einführungsrunde mit Slicks gefahren, habe mich aber mit meinem Ingenieur dazu entscheiden, auf Regenreifen zu starten. Von Anfang haben wir bei diesen Bedingungen mit dem Einsatz des Safety-Cars gerechnet und wollte auf Slicks wechseln. Allerdings fing es dann wieder an zu regnen, weshalb Regenreifen die logische Wahl waren. Natürlich hatten wir ein wenig Glück, aber das muss man sich auch erarbeiten."

Zanardi war nach einem schwierigen Regen-Qualifying vom letzten Platz gestartet. Ganze 14 Konkurrenten entschieden sich bis zur siebten Runde für einen Wechsel auf Slicks, während Zanardi, Eriksson, die beiden Audi-Piloten Rene Rast und Robin Frijns sowie Edoardo Mortara (Mercedes) es vorzogen, weiter auf Regenreifen zu fahren. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich nach dem einsetzenden Regen zur neunten Runde herausstellte.

Alex Zanardi sorgte bei seinem DTM-Gaststart für einige Highlights, Foto: BMW Motorsport
Alex Zanardi sorgte bei seinem DTM-Gaststart für einige Highlights, Foto: BMW Motorsport

Zanardi grübelt über langsamere Fahrer

Doch Zanardi hatte nicht nur Glück, er hatte auch den nötigen Speed. Bei den schwierigen Bedingungen gelang es dem Publikumsliebling erneut, seinen speziell umgebauten BMW - er bremste und beschleunigte ausschließlich mit den Händen - auf der Strecke zu halten und die Rundenzeiten seiner Konkurrenten mitzugehen.

"Ich hatte im Rennen einen sehr guten Speed und wusste gar nicht so recht, was ich machen sollte, als langsamere Fahrer vor mir auftauchten", sagte Zanardi mit einem breiten Grinsen. "Im Ernst: Ich bin sehr dankbar, dass mir BMW Motorsport diese Möglichkeit gegeben hat. Sie haben immer daran geglaubt, dass ich das schaffen kann. Dieses Vertrauen ist ein großes Geschenk - und ich bin glücklich, dass ich es rechtfertigen konnte."

Letztendlich kam der Regen Zanardi bei seinem DTM-Debütwochenende zu Gute - dabei hatte er sich eigentlich trockene Bedingungen gewünscht, um auf den Grundlagen seines vorigen Tests in Vallelunga aufbauen zu können. Schon am Samstag musste sich Zanardi durch den Regen kämpfen und wurde immerhin 13. Im Gegensatz zu sechs anderen Fahrern überstand er das erste Nachtrennen in der Geschichte der DTM ohne Zwischenfälle.

Auch im Trockenen schnell

Auch im Trockenen wäre vermutlich im Rennen mit Zanardi zu rechnen gewesen. Im 3. Training am Sonntagnachmittag erzielte er den fünften Platz und war damit bestplatzierter BMW-Pilot. Später im nassen Qualifying reichte es dann nur für den letzten Startplatz. In den Rennen glänzte Zanardi schließlich mit seiner guten Übersicht und sorgte für ein besonderes Highlight in Misano.

"Ich werde dieses Wochenende immer in meinem Herzen tragen. Es hat 51 Jahre gedauert, bis ich das erleben durfte - aber immerhin habe ich es erlebt", fasste Zanardi sein DTM-Abenteuer zusammen. Der Gaststart galt gleichzeitig als Vorbereitung für sein nächstes Rennen: Anfang 2019 wird Zanardi bei den 24 Stunden von Daytona an den Start gehen - mit einem umgebauten BMW-Rennwagen, der sich genauso steuern lässt wie sein DTM-Auto.

Kraftprotz Zanardi!

Aus physischer Sicht kam Zanardi gut mit seinem umgebauten BMW-Rennwagen zurecht - besser als zuvor sogar, als er noch mit seinen Beinprothesen Gas und Bremse bedient hatte. Was der mehrfache Paralympics-Sieger tatsächlich leistete, zeigte BMW anhand einer Tabelle. Wahnsinn: Während des Wochenendes in Misano wandte Zanardi mehr als 100 Tonnen Bremskraft allein mit seinen Armen auf! Dabei betätigte er seine Handbremse durchschnittlich pro Bremsvorgang mit einer Kraft von 48 Kilogramm.

"Ich habe in meiner Karriere viele Rennen gewonnen und denke, dass ich auch heute noch die Fähigkeiten habe, ein Fahrzeug wie den BMW M4 DTM am Limit zu bewegen", sagte Zanardi. "Aber im Vergleich zu den anderen Fahrern hat mir einfach die spezifische DTM-Erfahrung gefehlt."

Alex Zanardi: Zahlen zum DTM-Debüt in Misano

SessionRundenKilometerBremsvorgängeAufgewandte Bremskraft (Kilo)
FP1166823015872
FP212512719153
Q110421766944
Rennen 13113150926625
FP3166823613829
Q212511947164
Rennen 23213550123065
Gesamt1295462117102652