Der Gaststart von Alex Zanardi ist die große Sensation in der DTM-Saison 2018. Erstmals geht der Italiener in der Tourenwagenserie an den Start, sein Debüt gibt er für BMW bei seinem Heimrennen in Misano. Für das Rennwochenende vom 10. bis 12. August bereiten sich Zanardi und der Hersteller aus München akribisch vor.

Wie Motorsport-Magazin.com am Montagabend exklusiv berichtet hatte, absolviert Zanardi am heutigen Dienstag sowie am Mittwoch einen sogenannten Gaststarter-Test in Vallelunga. Auf der italienischen Rennstrecke, die nicht im aktuellen DTM-Rennkalender enthalten ist, trifft er unter anderem auf Sebastien Ogier, der sich für seinen möglichen Gaststart für Mercedes in Spielberg vorbereitet.

Zanardi fährt seit Jahren ausgewählte Rennen für BMW in unterschiedlichen Kategorien, wie etwa den 24 Stunden von Spa. Jedes Mal mussten die Ingenieure das Rennauto auf die speziellen Bedürfnisse des 51-Jährigen anpassen, der bei einem schlimmen Unfall am Lausitzring 2001 beide Beine verloren hatte.

So auch beim aktuellen BMW M4 DTM-Rennwagen, den die Münchner in der Tourenwagenserie einsetzen. Zum ersten Mal überhaupt wird Zanardi ein Rennauto ohne seine Beinprothesen bewegen. Um das zu ermöglichen, mussten sich die Ingenieure etwas Neues einfallen lassen. So wird Zanardi statt mit dem Fuß, mit seinen Händen bremsen können.

Im Folgenden erklärt BMW ausführlich, wie der DTM-Renner für Zanardis Debüt in der Tourenwagenserie umgebaut wurde.

1. Bremssystem per Hand

Bei seinem DTM-Gaststart in Misano steht Zanardi zum ersten Mal ein neu entwickeltes Handbremssystem zur Verfügung. Es löst die Kombination aus Bremspedal mit daran fixierter Beinprothese ab, mit der Zanardi bei seinen bisherigen Einsätzen in BMW Rennfahrzeugen gebremst hat. Vorteil des neuen Systems ist, dass es weniger Kraftaufwand erfordert und somit deutlich leichter zu handhaben ist.

Der Bremshebel befindet sich rechts neben dem Fahrer im Bereich der Mittelkonsole. Die Bremsleitungen wurden verlängert und vom Fußraum dorthin verlegt, wodurch die Pedalbox mit Gas-, Brems- und Kupplungspedal wegfällt. Der Fußraum in Zanardis BMW M4 DTM ist leer. Die Größe der Bremszylinder wurde leicht angepasst, damit Zanardi mit der Hand nicht genauso viel Druck aufbringen muss wie ein gewöhnlicher DTM-Fahrer mit dem Fuß, um die erforderliche Bremswirkung zu erzielen. Drückt ein gewöhnlicher Fahrer 100 bis 120 Kilogramm, reichen bei Zanardi maximal 70 Kilogramm aus. Neben der Größe der Bremszylinder erleichtert auch die bessere Hebelwirkung des Handbremshebels den Bremsvorgang.

So sieht Zanardis Bremse im DTM-BMW aus, Foto: BMW Motorsport
So sieht Zanardis Bremse im DTM-BMW aus, Foto: BMW Motorsport

Damit das neue System funktioniert, haben die BMW Motorsport Ingenieure die Funktionsweise der Bremszylinder umgekehrt. Während das Bremspedal in einem normalen BMW M4 DTM Zugkraft auf den Bremszylinder ausübt, erzeugt der Handbremshebel in Zanardis Fahrzeug Druck auf den Zylinder.

Wie in jedem anderen BMW M4 DTM gibt es auch in Zanardis Fahrzeug eine Feststellbremse, die dazu genutzt wird, um für einen möglichst schnellen Start Vorspannung aufzubauen. Zanardi kann diese Feststellbremse wie all seine BMW Fahrerkollegen über einen Knopf am Lenkrad betätigen. Er hat aber zusätzlich die Möglichkeit, sie über einen Hebel an seiner Handbremse mechanisch festzustellen und wieder zu lösen. Außerdem kann er damit das Fahrzeug gegen Wegrollen sichern.

Zanardi bremst zum ersten Mal nur mit der Hand, Foto: BMW Motorsport
Zanardi bremst zum ersten Mal nur mit der Hand, Foto: BMW Motorsport

2. Fliehkraftkupplung

In einem gewöhnlichen DTM-Fahrzeug nutzen die Fahrer für den Rennstart und das Anfahren aus der Box oder den Boxenstopp eine hydraulische Kupplung. In Zanardis Fahrzeug kommt dagegen eine vollautomatische Fliehkraftkupplung zum Einsatz. Diese öffnet und schließt bei bestimmten Drehzahlen automatisch und muss nicht mehr vom Fahrer betätigt werden. Die passenden Drehzahlen werden von den BMW Motorsport Ingenieuren in akribischer Abstimmungsarbeit festgelegt. Für Zanardi hat das System den großen Vorteil, dass er mit einer seiner beiden Hände nicht auch noch einen Kupplungshebel bedienen muss.

Erste Tests mit der Fliehkraftkupplung verliefen sehr positiv. Sowohl das langsame Anfahren aus der Garage klappt problemlos als auch das schnelle Losfahren am Start oder nach einem Boxenstopp. Der Sprint von 0 auf 100 km/h ist mit der Fliehkraftbremse vergleichbar schnell wie mit dem herkömmlichen System.

Der Kupplungs-Mechanismus im umgebauten M4 DTM, Foto: BMW Motorsport
Der Kupplungs-Mechanismus im umgebauten M4 DTM, Foto: BMW Motorsport

3. Schaltung

Grundsätzlich kann Zanardi die Gänge im BMW M4 DTM genauso über die Schaltwippen am Lenkrad wechseln wie seine Fahrerkollegen. Dazu ist in keinem modernen DTM-Fahrzeug das Betätigen einer Kupplung mehr erforderlich. Zum Hochschalten der Gänge nutzt Zanardi wie alle anderen Fahrer die Schaltwippe auf der rechten Seite des Lenkrads.

Runterschalten kann er bei Bedarf ebenfalls ganz normal an der entsprechenden Schaltwippe. Da dieser Vorgang allerdings in der Regel mit einer Bremsung verbunden ist, für die er die rechte Hand benötigt, kann Zanardi zudem über eine Schaltwippe am Kopf des Bremshebels durch die Gänge herunterschalten.

Das Lenkrad mit Shift Paddles und dem Gasring von hinten, Foto: BMW Motorsport
Das Lenkrad mit Shift Paddles und dem Gasring von hinten, Foto: BMW Motorsport

4. Gasring

Das System, mit dem Zanardi im BMW M4 DTM Gas gibt, wurde aus den GT-Fahrzeugen, die zuvor für ihn umgebaut worden waren, übernommen. Die Beschleunigung erfolgt über das Ziehen mit den Fingern an einem Gasring auf der Rückseite des Lenkrads. Der durchgehende Ring kann mit beiden Händen bedient werden oder nur mit links oder rechts. Das spielt für das Funktionieren des Systems keine Rolle. Der Gasring wird über die gleichen Sensoren gesteuert wie das normale Gaspedal.

Über den Gasring kann Zanardi beschleunigen, Foto: BMW Motorsport
Über den Gasring kann Zanardi beschleunigen, Foto: BMW Motorsport

5. Lenkrad

Das Lenkrad inklusive des Gasrings ist im Prinzip das gleiche, das in den GT-Fahrzeugen, die Zanardi bereits gefahren ist, eingesetzt wurde. Für das DTM-Gastspiel wurde lediglich die Belegung der Knöpfe angepasst. Es kam zum Beispiel ein DRS-Knopf hinzu, dafür haben die Drehknöpfe im unteren Bereich, über die im GT-Fahrzeug Fahrhilfen wie ABS eingestellt werden, im BMW M4 DTM keine Funktion.