Audi erlebt bei der DTM am Norisring das nächste Debakel. Während Mercedes den Doppelsieg durch Edo Mortara und Gary Paffett feiert und BMW-Pilot Marco Wittmann zum ersten Mal bei seinem Heimrennen auf das Podium fährt, schaut Audi in die Röhre.

Kollektiv und nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Jamie Green war am Samstag auf Platz 11 der bestplatzierte Fahrer des Herstellers aus Ingolstadt. Sein Rückstand auf die Spitze betrug in einem größtenteils ereignislosen Rennen mehr als 23 Sekunden. Vier weitere Audi-Piloten fanden sich auf den letzten Plätzen wieder.

Die Meisterschaft hat Audi inzwischen abgeschrieben. Nach 7 von 20 Saisonrennen ist der Rückstand in allen drei Wertungen eklatant. "Den Titel brauchen wir uns nicht einzubilden", sagt Audi-Motorsportchef Dieter Gass auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Diesen Rückstand kann man realistisch so schnell nicht aufholen, um noch Meister zu werden."

Dreifacher Titelverteidiger plötzlich ganz hinten

Von außen betrachtet eine mehr als unverständliche Situation in der Tourenwagenserie, dessen konkrete Zukunft weiter ungeklärt ist. Schließlich startete Audi als Titelverteidiger in der Fahrer-, Hersteller- und Teamwertung in die Saison 2018. Wie kann es sein, dass der Hersteller mit dem stärksten Auto der vergangenen Jahre plötzlich dermaßen hinterherhinkt?

Der Grund liegt in der Aero-Anpassung während des Winters. Hier hatte sich Audi einen Vorteil erarbeitet, wurde dieses aber mittels weiteren Einheitsbauteilen beraubt. Stattdessen rückt die Motoren-Power weiter in den Mittelpunkt. Da war es kaum verwunderlich, dass der Norisring mit seinen langen Geraden die aktuelle Schwäche des Audi deutlich offenlegen würde. So kam es auch, wenig überraschend für Gass.

Er sagt: "Die Aero ist für alle gleich. Letztes Jahr hat man vielleicht nicht so abschätzen können, wie es dieses Jahr aussehen würde. Das zeigt, wie gut letztendlich unsere Aero war. Jetzt gibt es als Unterschiede nur noch ganz wenige Elemente, die man strapazieren kann. Der Motor ist einer davon."

Im Fahrerlager ist man sich größtenteils einig: Audi wird auf keiner der kommenden Strecken unter normalen Umständen siegfähig sein. Weitere Highlights sind wohl nur durch eine glückliche Strategie, Wetter-, oder sonstige Kapriolen möglich.

Regel-Änderung am grünen Tisch?

Das führt unweigerlich zur Frage: Bemüht sich Audi um eine Anpassung des Reglements, um für größere Chancengleichheit zu sorgen? Das hatte es in der Vergangenheit der DTM - wo keiner der Verlierer sein durfte - immer wieder gegeben. Sowohl BMW als auch Mercedes wurden nach langen Diskussionen Zugeständnisse zugesprochen.

Gut möglich allerdings, dass Audi auf seinen 'Joker' verzichten wird und die Saison irgendwie über die Runden bringt. "Aktuell ist das im Reglement nicht vorgesehen, dafür bräuchte es eine Kommissionsentscheidung", sagt Gass. "Grundsätzlich ist unsere Philosophie: Wir stehen zum sportlichen Wettkampf. Und wenn man das schnellste Auto hat, soll man gewinnen. Wenn man das nicht hat, gewinnt man halt nicht."

Der klaffende Rückstand auf die Konkurrenz lässt sich möglicherweise etwas leichter verdauen, weil nach der Saison der Reset-Knopf gedrückt wird und komplett neue Rennautos kommen. Und als Titelverteidiger in allen drei Meisterschaften dürfte auch klar sein, dass Audi durchaus in der Lage ist, einen starken Rennwagen zu bauen - so stark, dass deshalb das Reglement über den Winter angepasst wurde.

"Auf der anderen Seite muss man sagen", fügte Gass an. "Generell für uns, aber auch den Sport und die Zuschauer, wäre es wünschenswert, wenn drei Hersteller auf Augenhöhe kämpfen würden."

Wie reagieren die Vorstände?

Und das auch mit Blick auf die ungewisse Zukunft der DTM, die am Norisring das neue Class One-Reglement vorgestellt hat. Denn: Den Audi-Vorständen - aktuell eh ein heikles Thema - dürfte es nicht gefallen, dass das Motorsport-Team in der DTM chancenlos hinterherfährt. Dabei ist Audi ein zentraler Teil der Zukunft, wenn es 2019 wahrscheinlich zu einem reinen Zweikampf mit BMW kommen wird.

"Die bekommen das schon mit", sagt Gass. "Ich kann nicht 100-prozentig sagen, ob das einen Einfluss auf die Zukunft hat. Ich hoffe es nicht. Nächstes Jahr wird der Reset-Knopf gedrückt mit den neuen Autos und wir versuchen das natürlich klar voneinander zu trennen."

Frust macht sich breit

Geht es sportlich ähnlich weiter in der laufenden Saison, dürfte der Frust weiter ansteigen. Gass habe am Norisring zum ersten Mal in der Startaufstellung gemerkt, dass ein gewisses Frust-Potenzial bei den Fahrern vorhanden ist. Kein Wunder, wenn man schon vorher weiß, dass das eigene Auto auf den Geraden ziemlich chancenlos ist. In der Topspeed-Tabelle fand sich kein einziger Audi in der Spitzengruppe.

Ein Abbild der Gesamtwertung. Während Mercedes und BMW die Titel unter sich ausmachen, ist Mike Rockenfeller auf Platz 10 der bestplatzierte Audi-Pilot. Noch eindrücklicher sieht es in der Hersteller-Wertung aus, in die die Ergebnisse aller Fahrer einfließen. Mercedes führt mit 294 Punkten vor BMW mit 236 Zählern. Und Audi? Magere 112 Punkte und damit nur etwas mehr als ein Drittel der Mercedes-Ausbeute.

Rockenfeller: In den sauren Apfel beißen

"So macht Rennfahren keinen Spaß", sagt Mike Rockenfeller, der trotzdem weiter auf einen Anstieg der Performance hofft. Der frühere DTM-Champion hält allerdings nichts von einer eventuellen Regel-Anpassung, um Audi zu helfen.

Rockenfeller nach Platz 15 im ersten Norisring-Rennen: "Ich fand das nie toll. Ich möchte mit einem Auto gewinnen, das gleich ist wie die anderen. Ich bin da eher sportlich unterwegs. Das wäre alles nur Rumgebastel und wir würden mit dem Ganzen wieder von vorne anfangen. Wir müssen jetzt eben in den sauren Apfel beißen. Das ist ein bitteres Jahr, aber jetzt sind wir mal die, die hinten dran sind."