Die zahlreichen Boxengassen-Unfälle beim Sonntagsrennen der DTM in Budapest sorgen weiter für große Diskussionen. Neben der Frage, warum Lucas Auer, Edo Mortara und Bruno Spengler nachträglich disqualifiziert wurden, steht auch im Raum: Hätte das Rennen nach Auers Unfall früher mit roten Flaggen abgebrochen werden?

Dazu sagt jetzt Mercedes-Teamchef Uli Fritz: "Natürlich wäre es im Nachhinein richtig gewesen, die rote Flagge früher zu zeigen. Aber sowas lässt sich mit dem Wissen von heute auch einfach sagen. Wichtig ist, dass wir alle gemeinsam die Ereignisse adäquat aufarbeiten müssen und besprechen, wie wir so etwas in Zukunft vermeiden können. Diese Diskussion haben wir bereits direkt nach den Ereignissen in Budapest gestartet."

Die Situation: In Runde 6 des Rennens nach dem einsetzenden Regen bogen Lucas Auer sowie die BMW-Piloten Philipp Eng und Bruno Spengler in die Boxengasse ab, um von Slicks auf Regenreifen zu wechseln. Dabei verlor der Mercedes-Pilot auf dem aalglatten Beton in der Working Lane die Kontrolle über sein Auto und traf einen Steward, der mit schweren Beinverletzungen - die Rede ist von einem offenen Unterschenkelbruch - ins Krankenhaus geflogen wurde.

Auch Spengler erwischte einen seiner BMW-Mechaniker, der mit leichten Blessuren am Fuß davonkam und die Arbeit wenig später wieder aufnehmen konnte. Auer, Eng und Spengler bogen wieder auf die Strecke ab, während sich ein Krankenwagen in der Boxengasse aufmachte, um sich um den verletzten Steward zu kümmern. Der Krankenwagen wurde durch gelbe Flaggen in der Boxengasse gesichert. Das Rennen lief zu diesem Zeitpunkt weiter.

Kurze Zeit später bogen Edo Mortara, Rene Rast, Paul Di Resta, Loic Duval und Robin Frijns ebenfalls in die Auffahrt zur Boxengasse ein. In diesem Moment wurde von der Rennleitung eine Safety-Car-Phase ausgerufen. Die fünf Piloten handelten also im Rahmen des Reglements. Nachdem dann auch Mortara mit seinem Mercedes wegrutschte und dabei Mercedes-Mechaniker traf, wurde das Rennen mit roten Flaggen abgebrochen.

Das sagt der DMSB

Auf die Frage, warum nach Auers Unfall zunächst das Safety Car rausgeschickt und später erst abgebrochen wurde, antwortete der DMSB: "Nach dem Vorfall in der Boxengasse war zunächst nicht klar, wie schwer die Verletzungen des Sportwartes waren. Deswegen wurde das Rennen nicht sofort mit der roten Flagge gestoppt, sondern das Safety Car in Marsch gesetzt. Die Regeln besagen, dass ab diesem Moment die Boxengasse nicht mehr für Pflichtboxenstopps genutzt werden darf, so dass Ärzte und Sanitäter eigentlich in Ruhe arbeiten können, ohne das Rennen abbrechen zu müssen."

Mit dem Safety Car wollte die Rennleitung praktisch die Boxengasse schließen, weil unter SC-Bedingungen Autos nur noch in Ausnahmefällen wie Beschädigungen die Box ansteuern dürfen. Dass Mortara, Rast, Di Resta, Duval und Frijns kurz vor dem Ausruf des Safety Car noch rechtzeitig abbogen, war sicherlich ein unglücklicher Umstand, der damit endete, dass auch Mortara in Schwierigkeiten geriet, die Boxenanlage traf und sich dabei Mechaniker verletzten.

DTM Hungaroring 2018: Hightlights des zweiten Rennens: (03:25 Min.)

Fritz: Rennleitung hat schweren Job

"Die Rennleitung hat in Situationen wie am Sonntag einen sehr, sehr schweren Job", sagt Fritz. "Hier müssen Entscheidungen in Sekunden getroffen werden. Die Tragweite dieser Entscheidungen beeinflusst aber nicht nur die Sicherheit aller Beteiligten sowie das Renngeschehen, sondern auch Meisterschaften und eventuell sogar Karrieren."

Auer, Mortara und Spengler wurden nachträglich aus der Wertung ausgeschlossen und verloren dadurch Punkte. Mortara und Spengler bekamen zusätzlich eine Startplatz-Strafe auf Bewährung aufgebrummt mit dem Argument, dass sie mehrfach am Teamfunk auf die Verhältnisse hingewiesen worden seien und der Krankenwagen sowie gelbe Flaggen in der Box Warnung genug sein sollten.

DMSB: Fahrer haben gegen Reglement verstoßen

Der DMSB dazu: "Alle drei haben gegen einen sehr eindeutig formulierten Artikel des Sportlichen Reglements der DTM verstoßen: 'Ab Auffahrt auf die Einfädelspur (Working Lane) hat der Fahrer seine Geschwindigkeit so herabzusetzen, dass er sein Fahrzeug ohne Gefährdung anderer Teilnehmer oder Sportwarte an den Boxen zum Halten bringen kann.'

Und weiter: "Mit anderen Worten: Der Fahrer hat alles zu tun, um eine Gefährdung zu vermeiden. Wenn doch ein Unfall eintritt, war er zu schnell und wird dafür bestraft. Dies ist übrigens im Motorsport ähnlich wie im Straßenverkehr: Wer einen Auffahrunfall verursacht, bekommt eine Strafe von der Polizei, weil er mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist. Die Begründung: 'Aber ich habe doch gebremst', zählt dann nicht, weil man nachweislich nicht ausreichend gebremst hat."

Scheider: Völliger Schwachsinn

Der DMSB beharrt auf den ausgesprochenen Strafen, obwohl alle drei Fahrer das Tempolimit in der Boxengasse von 60 km/h nicht überschritten. "Ein Beispiel aus dem Straßenverkehr verdeutlicht die Problematik", führt der Deutsche Motor Sport Bund aus. "Innerstädtisch ist zwar Tempo 50 vorgeschrieben, dies kann bei starkem Regen für eine Bremsung auf Kopfsteinpflaster aber viel zu schnell sein, so dass man einen Unfall verursacht. Die Schuld liegt dann weder bei der Stadt, die das Kopfsteinpflaster verlegt hat, noch bei der Polizei, die die Straße bei Nässe nicht gesperrt hat, sondern beim Fahrzeugführer, der für die Straßenverhältnisse zu schnell unterwegs war."

Dazu äußerte sich auch Sat.1-Experte Timo Scheider, der die Strafen für die drei Fahrer verurteilte: "Völliger Schwachsinn, diese Entscheidung. Ich verstehe das nicht, bei diesen Bedingungen kann man keinem Fahrer einen wirklich großen Vorwurf machen. Fakt ist: Die Jungs haben alles probiert, hatten auch die Warnung. Dafür aber eine Disqualifikation auszusprechen, ist ein absolutes No-Go."