Timo Scheider hatte bei seinem Einstand als TV-Experte für Sat.1 angekündigt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So kam es dann auch beim DTM-Rennen in Budapest. Paul Di Resta gewann am Samstag vor Mercedes-Kollege Lucas Auer. Dass der Österreicher bei einem Duell kaum Gegenwehr zeigte und Di Resta passieren ließ, gefiel Scheider überhaupt nicht.

Der zweifache DTM-Meister schimpfte: "Ich kriege einen Hals, wenn ich so etwas sehe. Das war ein Manöver von Mercedes, das für den Sport nicht gut war. Das war ein No-Go für die DTM. Wir wollen hier Rennfahrer sehen, die Rennen fahren. Der Beste soll am Ende gewinnen. So wollen wir die DTM verkaufen. Scheiße! Sorry, das so zu sagen, aber ist halt so."

Auer, von Platz drei gestartet, führte das Rennen bis zur 21. Runde an. Als Di Resta im zweiten Mercedes aufschloss, war auf den TV-Bildern deutlich zu sehen, dass Auer vor einer Kurve zweimal das Bremspedal antippte. Ohne Gegenwehr überließ er Di Resta die Kurve. Der Schotte gewann das Rennen schließlich und feierte damit seinen ersten Sieg seit 350 Tagen. Zuletzt hatte er an gleicher Stelle ein Rennen für sich entschieden.

Würde Stallorder überhaupt Sinn machen?

Doch warum wehrte sich Auer nicht gegen Di Resta? Ein Fall von Stallorder beim dritten Rennwochenende der Saison? Rein sportlich machte der Platztausch jedenfalls keinen Sinn. Denn: Auer lag vor dem Rennen in der Gesamtwertung vor Di Resta. Üblicherweise wird der Fahrer mit mehr Punkten auf dem Konto nach vorne beordert...

Nach dem Samstagsrennen in Budapest ist Di Resta an Auer in der Wertung vorbeigezogen. Di Resta kommt auf 56 Punkte, Auer hat nun 52 Zähler auf dem Konto. Neuer Führender ist Gary Paffett (79 Punkte) vor Timo Glock (72), der die Mercedes-Dominanz in der Meisterschaft noch unterbricht.

Abkommen zwischen Di Resta und Auer

Da eine Stallorder aus Punkte-Sicht keinen Sinn machen würde, könnte es sich um eine interne Abmachung zwischen Di Resta und Auer gehandelt haben. Denn als Di Resta in Runde 6 seinen Boxenstopp absolvierte, ließ er seinerseits Auer mit besseren Reifen ohne größere Gegenwehr passieren. Das passiert häufig in der DTM, wo die Reifen nicht mehr vorgeheizt werden dürfen und die Outlaps nach dem Stopp nicht ohne Risiko ablaufen.

Auer legte seinen Pflicht-Boxenstopp erst in der 9. Runde ein. Heißt: Als er sich in Runde 21 von Di Resta überholen ließ, hatte er praktisch drei Runden frischere Reifen drauf. Aufgrund der verschleißenden Hankook-Mischungen spielen allerdings viele Faktoren eine Rolle darüber, wie viel Grip die Reifen nach einer gewissen Zeit noch bieten.

Auer: Kann man noch viel drüber reden...

"Mit Paul hatte ich einen echten Fight, aber mit den gebrauchten Reifen muss man immer etwas aufpassen", erklärte Auer nach dem Rennen. "Ich wollte Paul und Nico undercutten, deshalb habe ich nach dem Boxenstopp so gepusht. Paul kam dann wieder zurück und ich musste mit den Reifen haushalten."

Auer später beim Sat.1-Talk mit Scheider und Co.: "Ich habe meinen Job gemacht mit dem Undercut. Wir hatten uns Nico zum Ziel gesetzt, aber ich habe so gepusht und auch eine mega Pace gehabt und dann noch Paul überholt. Ich habe meine Reifen am Anfang hart rangenommen. Das war ein ganz normaler Rennverlauf, da können wir jetzt noch viel drüber reden..."

Scheider glaubt Auer nicht

Scheider zu Auer: "Ich glaube die Aussage nicht. Aber ich verstehe, dass du das als Mercedes-Fahrer so sagen musst." Auer zurück: "Ich erzähl keinen Scheiß. Und die Bremse tippe ich sowieso zweimal an, bevor ich ein langes Pedal bekomme. Wir können viel drüber reden, aber am Ende bin ich happy und für uns ist das ein super Resultat."

Sieger Di Resta hatte ebenfalls nur bedingt Lust, die Situation im Detail auseinanderzunehmen. "Nach meinem Stopp habe ich auch nicht so hart gegen ihn gekämpft", argumentierte der Meister von 2010. "Es geht um Balance und Zusammenarbeit. Das haben wir heute geschafft. Das ist das Ziel und wir haben den Doppelsieg geholt."

Mercedes dominiert die DTM

Mercedes hat einen Saisonstart nach Maß erwischt und die Performance in Budapest nahtlos fortgeführt. Im Samstagsrennen schaffte es nur Pascal Wehrlein nicht in die Punkteränge. Ähnliches Bild in der Meisterschaft. Gary Paffett ist mit 79 Punkten neuer Tabellenführer vor Timo Glock (72). Dahinter geballte Mercedes-Power mit Di Resta (56), Auer (52), Edo Mortara (47) und Wehrlein (39) auf den Plätzen drei bis sechs.

Mercedes-Teamchef Uli Fritz: "Das war erneut eine ganz, ganz starke Mannschaftsleistung - gekrönt von einem fantastischen Doppelsieg von Paul und Lucas und der Eroberung der Tabellenführung durch Gary. Dass wir dies auch noch auf einer Strecke geschafft haben, auf der wir in der Vergangenheit nicht unbedingt erfolgreich waren, ist umso wichtiger. Das zeigt, dass wir ein Auto haben, das momentan eine hervorragende Balance hat. Ein ganz großes Kompliment an die ganze Mannschaft, die schon die ganze Saison über einen hervorragenden Job macht."