Als Heilbringer wollte er keinesfalls bezeichnet werden, und doch löste Gerhard Bergers Ankunft in der DTM einen frischen Wind aus, den es in der Tourenwagenserie schon lange nicht mehr gegeben hatte. Im März 2017 löste der Österreicher den langjährigen Boss Hans-Werner Aufrecht offiziell an der Spitze der ITR ab. Gewiss eine Herausforderung, hatte Aufrecht doch mehr als 30 Jahre lang das Zepter in der DTM geschwungen und unter anderem den Neustart der Serie im Jahr 2000 eingeleitet.

Mit Berger kam ein echter Racer in die DTM. Der Mann mit 210 Formel-1-Rennen auf dem Buckel und besten Verbindungen in die oberen Etagen des Motorsports löste einen neuen Boom in der etwas angestaubten Serie aus. Hardcore-Racing wünschte er sich für die Zukunft, dazu stärkere Autos, mehr Rennen und ein größeres Starterfeld. Vorsätze, die bei allen Beteiligten positiv ankamen; wohl wissend, wie schwer diese umzusetzen sein würden.

Berger: Mercedes-Ausstieg schwer lösbar

Berger wusste, dass er es im politisch hochsensiblen Konstrukt der DTM mit ihren drei Herstellern nicht einfach haben würde. Wie schwierig seine Debütsaison werden würde, hätte sich aber auch Berger selbst wohl kaum träumen lassen. Als ob die Diskussion über Performance-Gewichte nicht schon ausgereicht hätte, packte Mercedes während der Saison den Hammer aus und kündigte seinen Ausstieg nach der Saison 2018 an. Mit dem Abgang blickt die DTM in eine ungewisse Zukunft. Kurzfristig, wie es mit dem TV-Vertrag weitergeht; langfristig, wie die DTM überleben soll.

"Dass es Hürden und Schwierigkeiten gibt, das ist kein Geheimnis, aber das war vorher klar", sagte Berger beim Saisonfinale in Hockenheim in einer kleinen Medienrunde, bei der auch Motorsport-Magazin.com dabei war. "Das Einzige, was ich nicht auf dem Schirm hatte und was mir unglaublich leidtut, ist die Mercedes-Entscheidung. Das ist wirklich das Einzige, was schwer lösbar ist."

Class One gegen die Depression

Doch statt in tiefe Depressionen zu verfallen, bäumte sich Berger gegen das drohende Ende der DTM auf. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, eine neue Richtung für die Zukunft der Serie aufzuzeigen. Schnell sprach er vom Class One Reglement als Lösung. Jenem Reglement, dass Vorgänger Aufrecht angetrieben hatte, ohne dabei aber die nötige Unterstützung aus Deutschland zu erhalten.

In Hockenheim erhielten die Zuschauer einen ersten Vorgeschmack auf das, was da kommen könnte ab 2019 und darüber hinaus. Zwei Rennwagen von Toyota-Luxusmarke Lexus und Nissan drehten ihre gemeinsamen Runden mit den DTM-Boliden. Die ITR zahlte den Werbeauftritt aus der eigenen Tasche. Die Ausgaben dürften sich rentiert haben, der Wow-Effekt kam durchweg nicht zu kurz.

"Dass die Japaner hier fahren, kann er sich sehr wohl auf die Fahnen schreiben", sagte Audi-Motorsportchef Dieter Gass über Berger. "Ich hoffe, dass wir den einen oder anderen japanischen Hersteller motivieren können, 2019 dabei zu sein." Eine gewisse Skepsis bleibt bestehen, doch Berger und Co. taten bislang ihr Möglichstes dafür, eine positive Grundstimmung zu vermitteln. Alles andere könnte potenzielle Neueinsteiger aus Japan und Europa schließlich auch verschrecken.

Problemlöser Gerhard Berger

Die Gestaltung der DTM-Zukunft ist Bergers mit Abstand größtes Projekt. Eines, das er bei seinem Amtsantritt so nicht auf dem Zettel hatte. Wie man Probleme in den Griff bekommt, zeigte Berger bereits bei den Performance-Gewichten, die die DTM-Saison 2017 größtenteils überschatteten. Zwar dauerte es bis zum Rennen in Österreich, um eine Lösung zu finden. Doch letztendlich gelang es Berger, alle drei Hersteller unter einen Hut zu bekommen - wenn auch nicht ohne Kompromisse mit Blick auf die Zukunft. Ohne Berger wäre es vermutlich mehr Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken geworden.

"Das ist ja schon ein frischer Wind", sagte Mercedes-Teamchef Uli Fritz. "Die Sache mit den Gewichten etwa. Ob es die jetzt so gäbe, wenn Gerhard nicht so unermüdlich mit allen Herstellern am Telefon gehangen hätte, mag ich mal bezweifeln. Es ist faszinierend, zuzuschauen, mit wie viel Elan er da rangeht."

Die Nachwehen der Gewichte

Ganz gelöst ist das Gewichte-Drama allerdings noch nicht. Für 2018 müssen Berger und alle Beteiligten eine Lösung finden, um ein neues Gleichgewicht zwischen Audi, BMW und Mercedes herzustellen. Ohne die Performance-Gewichte droht eine Ungleichheit, die so innerhalb der DTM nicht akzeptiert wird. Berger dazu gelassen: "Es gibt noch ein paar Modifikationen, die mit ein wenig Glück alle wieder auf ein Niveau bringen sollen. Dann sind die Ingenieure und Fahrer wieder gefordert."

Das passt zu seiner Vorstellung des angepriesenen Hardcore-Racing - purem Motorsport, das den Fahrer in den Vordergrund stellt. Regeländerungen wie das Funkverbot, die Aufhebung des Boxenstoppfensters, das Verbot von Heizdecken, die neuen Qualifying-Punkte oder auch die spektakulären Indy-Style Re-Starts gehen in diese Richtung. Falsch wäre es nun aber zu behaupten, dass all diese Neuerungen zur Saison 2017 auf Berger zurückzuführen sind. Die Trendwende wurde schon vor seinem Amtsantritt eingeleitet.

Berger: Über Wasser gehen kann er nicht

"Wir haben gegenüber vorher viele Verbesserungen erlebt, die sind aber nicht alle nur ihm zuzuschreiben", stellte Dieter Gass fest. "Das war in verschiedenerlei Hinsicht auch ein bisschen auf dem Weg. Das darf man nicht ignorieren."

BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt ergänzte: "Der eingeschlagene Weg ist gut. Es ist aber nicht nur Gerhard Berger, sondern das ganze Team bei der ITR. Die Ansätze sind gut, aber wir werden auch daran gemessen, was nächstes und übernächstes Jahr dabei herauskommt. Gerhard hat super Kontakte, aber abgerechnet wird, wenn es zählt."

Auf Gerhard Berger wartet in der Winterpause mehr Arbeit als er erwartet hatte. Er hat gezeigt, dass er sich auch in der DTM durchsetzen kann. Düstere Aussichten wie der neue TV-Vertrag nach dem Ende mit der ARD erscheinen zumindest ein wenig heller. Oder wie es Uli Fritz formulierte: "Er ist ohne Frage der Richtige. Über Wasser gehen kann auch er nicht, aber er gibt nie auf."