Es war der große und unerwartete Paukenschlag am Donnerstag: Die DTM will die leidigen Performance-Gewichte mit sofortiger Wirkung abschaffen. Beim kommenden Rennwochenende in Spielberg sowie beim Saisonfinale in Hockenheim werden Audi, BMW und Mercedes demnach mit gleich schweren Rennautos antreten. Es fehlt nur die Zustimmung des DMSB, das sollte aber Formsache sein.

Welche Auswirklungen hat diese ungeahnte Wendung nun für den Kampf um die Meisterschaft? Vor allem die Piloten von Audi und Mercedes dürften nach der Bekanntgabe eine Flasche Sekt aufgemacht haben. Mit der alten Regelung hätten sie im ersten Rennen auf dem Red Bull Ring 20 Kilo mehr Gewicht im Auto gehabt als die Konkurrenz von BMW.

Audi atmet in Spielberg auf

Experten glaubten: Trotz bester Ausgangslage hätte Audi wenigstens den Fahrertitel auf der Zielgeraden der Saison an BMW verloren. Mit 20 Kilo mehr wären Mattias Ekström und Co. in Spielberg noch chancenloser gewesen als zuletzt am Nürburgring. Der Red Bull Ring ist wegen seiner Bergauf- und Bergabpassagen die gewichtssensitivste Rennstrecke im gesamten Kalender. Hier hätte sich der Erfolgsballast also noch stärker ausgewirkt.

Einen Zeitennachteil von rund vier Zehntelsekunden hätten die Titelfavoriten von Audi unter normalen Umständen wohl kaum aufholen können. Überhaupt hatten die Ingolstädter schon Glück, mit Ekström als Meisterschaftsführendem nach Österreich zu reisen. Der Gesamtzweite Lucas Auer hatte im Sonntagsrennen am Nürburgring das Podest sicher vor Augen, bis er sich durch einen Fahrfehler drehte und die wichtigen Punkte wegwarf.

Auer: Erst schön, dann scheiße

"So schön es gestern war, so scheiße war es heute", sagte uns ein völlig zerknirschter Auer am Sonntag nach dem Patzer. "Da kann man nur sagen: Sorry ans Team. Die arbeiten total hart, aber da sieht man: Ich war am Limit und auch ich koche nur mit Wasser. Und manchmal läuft es über..."

Teamchef Uli Fritz zu Motorsport-Magazin.com: "Das war ein völlig unnötiger Fehler, aber wir gewinnen und verlieren zusammen als Team. Auch wir haben schon Fehler gemacht. Jetzt ist es ihm passiert. Das ist nicht schön, aber man muss es positiv sehen. Er kam als Sechster in der Meisterschaft und jetzt ist er Zweiter."

Ekström bleibt Favorit

So bleibt Ekström Spitzenreiter in der DTM. Der Schwede führt weiter mit 136 Punkten. Der Zweitplatzierte Auer hat 127 Zähler auf dem Konto. Ohne den Erfolgsballast hat Ekström weiter beste Chancen, den dritten Titelgewinn nach 2004 und 2007 einzusacken. Auer hat vor seinem Heimspiel zwar nur neun Punkte Rückstand, doch Ekström weiß einen entscheidenden Vorteil auf seiner Seite: seine starken Audi-Markenkollegen.

Der Audi RS 5 ist wieder einmal das stärkste Auto im Feld, wie auch ein Blick auf die Gesamtwertung zeigt. Hinter Ekström belegt Rookie Rene Rast den dritten Platz mit 124 Punkten, Jamie Green ist Fünfter mit 113 Zählern und Mike Rockenfeller belegt Platz sechs mit 110 Punkten. Nach Titelniederlagen in den vergangenen Jahren muss Audi nun endlich eine Meisterschaft einfahren - und setzt dabei auf Ekström.

DTM Nürburgring 2017: Highlights des zweiten Rennens (03:25 Min.)

Green lässt Ekström vorbei

Im zweiten Rennen am Nürburgring ließ Green Hintermann Ekström in der Schlussphase passieren und übergab ihm den sechsten Platz. "Das ist ganz normale Praxis, dass der Teamkollege - wenn er sieht, dass der in der Meisterschaft vorne Liegende dahinter ist - ihn vorbeilässt und unterstützt", sagte Audi-Sportchef Dieter Gass zu Motorsport-Magazin.com. In der vergangenen Saison hatte sich Audi lange nicht auf einen Fahrer festgelegt, letztendlich verlor Edo Mortara die Meisterschaft mit vier Punkten Rückstand auf Marco Wittmann.

Der amtierende Champion hat nun ebenfalls noch gute Chancen, ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitzureden. Vor den letzten vier Rennen des Jahres liegt Wittmann auf dem vierten Gesamtplatz mit 115 Punkten - 21 Zähler Rückstand auf Ekström. Der Podestplatz am Nürburgring hat dem BMW-Piloten Auftrieb verliehen, nachdem er zuvor den Sieg in Zandvoort wegen zu wenig Benzin im Auto nachträglich verloren hatte. Ansonsten würde Wittmann die Gesamtwertung sogar anführen.

2016 gelang BMW ein Doppelsieg in Spielberg, Foto: BMW AG
2016 gelang BMW ein Doppelsieg in Spielberg, Foto: BMW AG

Auch Glock mit Titelchancen

Mit Timo Glock hat BMW noch ein zweites Eisen im Feuer. Der frühere Formel-1-Pilot hatte am Nürburgring keinen leichten Stand, ist mit 28 Punkten Rückstand auf Ekström aber noch in Schlagdistanz. In der Verfolgerrolle spricht die Statistik mehr für BMW als für Mercedes. In den acht Rennen in Spielberg seit 2011 gewann viermal ein BMW und viermal ein Audi - die Stuttgarter gingen bislang leer aus. 2016 gelang BMW ein Doppelsieg durch Wittmann und Glock.

Verrückt: 10 der 18 DTM-Fahrer haben die theoretische Chance, am Sonntag in Österreich die Gesamtführung zu übernehmen. Bei maximal 56 Punkten könnte es selbst Paul Di Resta als Gesamtzehnter mit 97 Zählern schaffen. Nachdem sich das Feld der Titelanwärter in den letzten Rennen kontinuierlich verkleinert hatte, stiegen am Nürburgring die Chancen für einige Fahrer wieder - auch dank der Gewichts-Regelung. In Folge der Aufhebung dürfte sich nun ein klareres Bild ergeben.