Mercedes-Ausstieg: Ende einer Ära (02:34 Min.)

Der Mercedes-Ausstieg aus der DTM zum Ende der Saison 2018 dürfte zu den am besten gehüteten Geheimnissen der letzten Jahre im Motorsport gehört haben. Und das aus triftigem Grund: Als börsennotiertes Unternehmen ist das Mercedes-DTM-Einsatzteam HWA dazu verpflichtet, per so genannter adhoc-Meldung derartige Informationen öffentlich zu machen, um einem möglichen Insiderhandel vorzubeugen.

Das geschah am Montagabend, als um 20:15 Uhr über den Börsen-Ticker lief: 'HWA AG verliert bedeutendes Rennsport Programm'. Wäre diese Nachricht im Vorfeld durchgesickert, hätte dies zu zivilrechtlichen Konsequenzen führen können. Mercedes selbst teilte den Ausstieg wenig später in einer Pressemitteilung mit.

Dadurch lässt sich plausibel erklären, warum innerhalb der DTM vorher niemand über den Ausstieg informiert worden war, nicht einmal die Verantwortlichen von Audi, BMW oder dem Serien-Promoter ITR. Gerhard Berger war überrascht, auch DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck hatte im Vorfeld nichts gewusst.

Stuck am Dienstag zu Motorsport-Magazin.com: "Wir bedauern den Rückzug von Mercedes-Benz aus der DTM sehr, weil die Stuttgarter über Jahrzehnte hinweg ein verlässlicher Partner des deutschen und internationalen Tourenwagensports waren. Für eine Bewertung der Folgen dieses Schritts ist es aber noch zu früh. Wir werden dazu mit allen wichtigen Beteiligten am deutschen Motorsport in den nächsten Tagen und Wochen Gespräche führen."

DTM-Entscheidung fiel letzte Woche

Die Entscheidung seitens Mercedes gegen eine Zukunft in der DTM fiel im Verlauf der vergangenen Woche, wie Motorsport-Magazin.com weiß. Das Werksengagement in der Formel E ab 2019/20 war hingegen schon länger ein Thema gewesen. "Wir haben über Wochen diskutiert, welche die besten Plattformen für uns sein könnten auch im Hinblick auf den Launch unserer neuen Elektrofahrzeuge 2019/2020", sagte Toto Wolff am Dienstag dem SWR. "Aus diesem Grund hat man sich entschieden, statt DTM Formel E zu machen."

Mercedes habe viele erfolgreiche Jahre in der DTM gehabt, doch der Zeitgeist gehe in eine andere Richtung. Überraschend dabei: Wieso teilte Mercedes schon jetzt mit, dass das DTM-Projekt in eineinhalb Jahren beendet wird? Nicht selten im Motorsport zogen Hersteller oder Teams 'von jetzt auf gleich' den Stecker.

Wolff klärte auf: "Wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir aus der DTM aussteigen wollen. Aber wir machen das mit Respekt gegenüber der Serie und all unseren Partnern. Deshalb wollten wir diesen langen Vorlauf haben. Eineinhalb Jahre ist ungewöhnlich, dass man das so früh ankündigt. Aber wir wollten einfach unsere Partner nicht überraschen, sondern es ordentlich zu Ende bringen."

HWA soll in der Formel E weitermachen

Mercedes habe laut Wolff sowohl dieses als auch nächstes Jahr die Ambition, in der DTM konkurrenzfähig zu bleiben und dafür die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zunächst war dabei unklar, wie es mit dem Partner HWA weitergehen wird. Schon vergangene Woche hatte es Spekulationen gegeben, dass das Unternehmen die Betreuung in der Formel E bei einem möglichen Einstieg übernehmen könnte.

Da stand allerdings noch nicht fest, dass Mercedes zugunsten der Formel E aus der DTM ausscheiden wird. Nun sagte Wolff, der am Dienstagmorgen auf einer Betriebsversammlung bei HWA gesprochen hatte: "Wir haben gesagt, dass wir die Formel E gemeinsam mit HWA machen wollen. Das ist der Plan im Moment. Man muss sich hinsetzen und schauen, wie wir das bestmöglich umsetzen."

Option für verspäteten Einstieg

Mercedes hatte sich schon 2016 ein Startrecht in der Formel E ab der Saison 2018/19 gesichert. Diese Option wurde um ein Jahr verlängert, die Stuttgarter steigen nun erst zur Saison 2019/20 ein. Audi steigt zur kommenden Saison werksseitig ein, BMW folgt ein Jahr später.

Auf die Frage, ob es möglich gewesen wäre, neben Formel 1 und Formel E auch die DTM weiter zu betreiben, antwortete Wolff: "Es ist wichtig, dass man eine ganz konsistente Strategie hat. Mit der Formel 1 und der Formel E decken wir beide Seiten des Spektrums ab. Wir machen globalen Motorsport, Hightech auf der größten Bühne mit der Formel 1. Auf der anderen Seite ist ein Start-up-Business. Wie die Formel E nun mal heute ist. Wir wissen noch nicht genau, was es ist und wie es sich entwickelt."

Von Unverständnis bis Verständnis

Wolffs Hörer dürfte seit Montagabend heiß gelaufen sein. Durch den Mercedes-Ausstieg aus der DTM könnten sich weitreichende Folgen für den Motorsport in Europa und Deutschland ergeben. Wie es mit der DTM, einem möglichen Nachfolger oder einer gänzlich anderen Situation weitergeht, lässt sich zu diesem Zeitpunkt unmöglich voraussagen.

Wolff: "Die Reaktionen sind natürlich vielfältig. Von Unverständnis bis hin zu absolutem Verständnis, dass sich die Welt in eine andere Richtung bewegt. Ich glaube, das muss man akzeptieren."