Motorsport-Magazin.com: Marco, was ist das für ein Gefühl, als amtierender Champion so oft hinten im Feld zu fahren?
Marco Wittmann:
Platz vier und Platz fünf am Norisring haben mir ganz gut getan. Aber natürlich hatte ich mir den Saisonverlauf etwas anders vorgestellt. Vielleicht soll es so sein, dass ich nur alle zwei Jahre Meister werde... Nein, Spaß. Wir haben uns bei BMW in den ersten sechs Rennen alle schwer getan, das muss man ganz klar so sagen. Die meisten Podiumsplätze vor dem Norisring waren durch eine riskante Strategie oder eine günstige Safety-Car-Phase zustande gekommen. Aus eigener Kraft war es bis dahin schwierig. Es lief also für uns alle nicht ganz rund und ich hatte auch nicht gerade das Glück auf meiner Seite. Etwa, als ich in Ungarn eine Runde vor Schluss ausgefallen bin. Ist einfach so, es sollte wohl noch nicht laufen.

BMW hatte auch in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme - aber meist bist du herausgestochen mit Top-Ergebnissen. Warum klappt das dieses Jahr nicht bei dir?
Wittmann:
Es gab zum Saisonbeginn ja neue Regeln und neue Autos. Damit muss man sich natürlich auch innerhalb des Teams zurechtfinden, mit den Ingenieuren und Mechanikern die richtigen Reifendrücke finden und so weiter. Es sind viele Faktoren, die da zusammenspielen. Klar war ich in den vergangenen Jahren immer der etwas dominantere BMW-Fahrer, aber da haben wir immer das perfekte Paket zusammengebracht als Team. Da sind die anderen gestrauchelt. Dieses Jahr ist es anders, da sind die Karten bei BMW etwas querbeet verteilt. Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand, versuchen uns aufzuraffen und das Beste draus zu machen. Die Titelverteidigung wird schwer, ist aber nicht unmöglich.

Das Foto-Finish auf dem Norisring (00:54 Min.)

Wittmann vermisst seine Qualifying-Stärke

Hat BMW darunter gelitten, dass es bei den Testfahrten vor der Saison in Hockenheim einige Probleme gab und viele Kilometer im Vergleich zur Konkurrenz fehlten?
Wittmann:
Wir haben uns in den ersten Rennen etwas schwerer getan, gerade, was den Reifenverschleiß betrifft. Da haben wir bei den Tests mit Sicherheit etwas Zeit liegen lassen, während die Konkurrenz mehr Daten sammeln konnte. Ich denke, dass jetzt jeder mehr oder weniger das Konzept verstanden hat. Ich denke aber auch, dass es nicht Sinn und Zweck war, dass man schon in der ersten Runde die Reifen wechseln kann...

Wo tust du dir persönlich mit dem neuen BMW am schwersten?
Wittmann:
Meine Stärke im Qualifying aus den vergangenen Jahren ist momentan ein bisschen verloren gegangen. Die größte Schwachstelle ist das Qualifying, auch bedingt durch das neue Reglement mit den kalten Reifen, den Luftdrücken und so weiter. Da haben wir den Schlüssel einfach noch nicht gefunden. Im Rennen sind wir eigentlich ganz gut dabei. Wenn ich mir speziell meine Rennen anschaue, geht's immer nach vorne. Von P16 auf 8, 9 oder 10 - aber das sind eben nur wenige Punkte.

Fällt es dir schwer, in dieser Situation die Motivation zu behalten?
Wittmann:
Nein. Man versucht einfach, weiterzumachen. Ich war in den letzten Jahren so erfolgreich. Da wäre es doch schlimm, wenn ich nach ein paar Rennen keine Motivation mehr hätte. Schau dir den Bruno an, der hatte bis zum Norisring vier Jahre lang kein Rennen gewonnen. Ich hab's ihm richtig gegönnt. So eine Durstrecke in Sachen Siege ist hart. Das sind solche Zeiten, in denen man sich immer wieder neu motivieren muss, wenn man so lange auf einen Sieg wartet. Ich kann mich da am wenigsten beschweren.

Marco Wittmann startete als Titelverteidiger in die DTM-Saison 2017, Foto: BMW AG
Marco Wittmann startete als Titelverteidiger in die DTM-Saison 2017, Foto: BMW AG

Titelverteidigung bringt besonderen Druck mit sich

Was bedeutet mehr Druck für dich: um den Titel zu kämpfen oder wie aktuell eher hinten zu fahren?
Wittmann:
Bisher bin ich mit dem Druck in Titelkämpfen mental sehr gut zurechtgekommen. Vor allem im vergangenen Jahr, als klar war, dass der Audi zum Ende hin stärker wird. Ich denke aber, dass es schwieriger ist, den Titel zu verteidigen. Wenn du einmal auf diese Schiene aufgesprungen bist, in der es läuft - dann läuft es auch. Das hat man auch bei Lucas Auer oder Rene Rast gesehen. Du bist auf so einen Zug aufgesprungen und es klappt wie von alleine. Das kann ich gar nicht so richtig erklären. Aber alles, was du anpackst - ob Auto oder perfekte Runde im Qualifying - funktioniert einfach. Das Glückt kommt dann automatisch dazu.

Also kein Druck für dich jetzt?
Wittmann:
Wenn du den Titel verteidigen musst, sind natürlich alle Augen auf dich gerichtet. Und gerade, wenn es nicht läuft - so wie bei mir jetzt - sagt jeder erst mal: 'Was ist mit Wittmann los? Da geht nix mehr, der fährt nur noch hinten rum'. Wobei das ja eigentlich gar nicht so ist. Aber es wird von den Medien oftmals so aufgezogen.

Liest du jetzt mehr oder weniger Medienberichte als in den Meister-Jahren?
Wittmann:
Genauso viele wie früher auch. Ich war immer der Typ, der viele Artikel gelesen hat.

Muss manchmal komisch sein, eher negativ über sich zu lesen, wenn es nicht läuft...
Wittmann:
Das ist doch generell so im Sport. Und das ist ja auch legitim, man schaut ja am Ende auf die Ergebnisse - und vielleicht nicht auf das, was dahintersteckt. Ich weiß ja, dass bei mir viel mehr drin gewesen wäre und wir dann ganz woanders stehen würden in der Tabelle. Aber die Saison ist ja noch nicht rum, da kann noch viel passieren.

Kommt der Anschluss von BMW zu diesem Zeitpunkt schon zu spät?
Wittmann:
Das könnte sein. Aber es ist zu früh, da schon Schlüsse zu ziehen. Am Norisring haben wir gesehen, wie sich die Jungs vorne gegenseitig die Punkte wegschnappen. Da kann sich keiner so richtig vom Rest absetzen. Das ist ein munteres Auf und Ab. Wir müssen einfach ruhig bleiben, an unserem Paket rumschrauben und das Maximale herausholen.