Vier Rennen vor dem Ende der Saison geht der Meisterschaftskampf in der DTM in die entscheidende Phase. Auch wenn noch hundert Punkte zu vergeben sind, so beinhaltet der Kreis der realistischen Titelkandidaten aktuell noch vier Fahrer: Marco Wittmann, Edoardo Mortara, Robert Wickens und Jamie Green. Motorsport-Magazin.com analysiert die Form der Kandidaten und wagt eine Prognose, wer am Ende den Titel nach Hause holt.

Marco Wittmann: Der Fast-Schon-Meister

Als Top-Favorit geht Marco Wittmann in die letzten Rennen. Mit 33 Punkten Vorsprung nimmt er das Wochenende in Budapest in Angriff, bei optimalem Verlauf der beiden Rennen kann er bereits als feststehender Champion zum Finale nach Hockenheim fahren. "2014 war ich dort sehr erfolgreich und konnte von der Poleposition einen Start-Ziel-Sieg feiern. Es wäre schön, wenn es in diesem Jahr ähnlich laufen würde", blickt Wittmann optimistisch auf die Läufe auf dem Hungaroring.

Dabei fällt es ob der Konstanz, die Wittmann bislang an den Tag gelegt hat, schwer, sich einen anderen Champion vorzustellen. Nur in zwei der bisherigen 16 Rennen blieb Wittmann punktelos, einen Ausfall hatte er noch gar nicht zu beklagen. Auf dem Nürburgring fuhr Wittmann zuletzt am Samstag zum Sieg und tags darauf auf Rang drei, in Budapest gewann er 2014 das Rennen.

Beste Aussichten also für den BMW-Piloten? Durchaus, wenn das Finale nicht in Hockenheim stattfinden würde. Dort fuhr er zuletzt zum Saisonauftakt 2014 zum Sieg, danach blieb er in sieben Rennen ohne Podest. In dieser Saison reichte es am Eröffnungs-Wochenende nur zu mageren vier Punkten. Entsprechend sollte Wittmann in Budapest nicht allzu viel seines aktuellen Vorsprungs einbüßen. Ansonsten könnte es in Baden-Württemberg doch noch zu einem Showdown kommen.

Ausgangssituation für Marco Wittmann:

Aktueller PunktestandPunkte in den letzten sechs RennenErgebnis Budapest 2014Ergebnisse Hockenheim 2016
170951. Platz16. Platz/8. Platz

Meisterschaftschancen für Marco Wittmann: fast durch

Edoardo Mortara: Die unverhoffte Audi-Hoffnung

Eigentlich schien Jamie Green das Aushängeschild von Audi zu sein. Nach null Punkten in den ersten beiden Rennen der Saison in Hockenheim, katapultierte sich der Brite in den folgenden Rennen in das Spitzenfeld, während Edoardo Mortara spätestens nach der unberechtigten Strafe in Zandvoort aus dem Rennen gewesen zu sein schien. In Moskau musste sich der Italiener dann sogar einer Stallorder zugunsten Greens beugen - was nicht wenige Experten überraschte. Doch am Nürburgring wendete sich das Blatt. Mortara gewann das zweite Rennen, während Green punktelos blieb. 18 Punkte liegt Mortara nun vor seinem fünf Jahre älteren Markenkollegen.

Um seine Titelchancen am Leben zu erhalten, benötigt Edoardo Mortara weitere Siege, Foto: DTM
Um seine Titelchancen am Leben zu erhalten, benötigt Edoardo Mortara weitere Siege, Foto: DTM

Aus Audi-Sicht ist es eine verzwickte Situation. Mortara steht immer lauter werdenden Gerüchten zufolge vor einem Wechsel zu Mercedes. Green dagegen wird wohl auch 2017 für die Ingolstädter fahren. Der Brite wäre für Audi also weiterhin der bessere Titel-Kandidat, allein aus Marketing-Zwecken über den Winter. Martin Tomczyk wurde 2011 Meister, wechselte jedoch kurz darauf zu BMW. Eine ähnliche Situation würde man in Ingolstadt gerne vermeiden. Mortara muss also in Budapest auf der Strecke zeigen, dass er die Nummer eins bei den vier Ringen ist.

Die Chancen stehen für Mortara gut. Die Ergebnisse aus der Eifel liefern ihm Rückenwind, zudem belegte er in Budapest 2014 einen guten vierten Platz. In Hockenheim gewann Mortara gleich den Saisonauftakt in dieser Saison. Dennoch benötigt er auch Glück respektive Pech für Marco Wittmann. Aus eigener Kraft wird der Titelgewinn schwierig.

Ausgangssituation für Edoardo Mortara:

Aktueller PunktestandPunkte in den letzten sechs RennenErgebnis Budapest 2014Ergebnisse Hockenheim 2016
137644. Platz1. Platz/11. Platz

Meisterschaftschancen für Edoardo Mortara: nur bei Patzer Wittmanns

Robert Wickens: Mercedes' letzte Hoffnung

Sah es lange in der Saison so aus, als könnte Robert Wickens tatsächlich nach seinem ersten Titelgewinn in der DTM greifen. Doch in den letzten drei Rennen hat der Kanadier seine Chancen wohl verspielt. Rang fünf im zweiten Rennen von Moskau, nur zwei Punkte aus zwei Rennen am Nürburgring. Sein Rückstand auf Marco Wittmann beträgt inzwischen 50 Punkte, 100 sind noch zu vergeben. Entsprechend weiß er: "Mit Blick auf die Meisterschaft ist Budapest ein 'alles oder nichts'-Wochenende für uns."

Mercedes-intern ist alles auf Wickens ausgerichtet. Doch dasselbe gilt auch für Wittmann bei BMW. Zudem tritt Mercedes in Budapest einmal mehr mit dem deutlich schwersten Auto an. Auf einer Strecke, die vor allem gutes Kurvenverhalten verlangt, ein großer Nachteil. "Natürlich wird es in Budapest im wahrsten Sinne des Wortes nicht leicht für uns, aber auch damit müssen wir umgehen", flüchtet sich Teamchef Ulrich Fritz nicht in Ausreden.

Die Vorzeichen für Wickens sind dennoch nicht gut. Nicht nur seine Formkurve zeigt nach unten, auch die Erinnerungen an Budapest sind nicht die besten. 2014 wurde er nur Elfter. Seine Hoffnung: Der neue Asphalt, der auf dem Hungaroring verlegt wurde. "Wir waren in diesem Jahr bislang sehr konkurrenzfähig auf Strecken mit einer sehr glatten Oberfläche - zuletzt zum Beispiel in Moskau. In Spielberg, wo es ebenfalls einen neuen Asphalt gab, machten wir einige Fehler, aber am Ende waren wir schnell und erzielten sogar die schnellste Rennrunde", merkt er an.

Am Nürburgring lief für Robert Wickens nichts zusammen, Foto: DTM
Am Nürburgring lief für Robert Wickens nichts zusammen, Foto: DTM

Sicher ist jedoch: Fährt Wickens in Budapest nicht mehr Punkte ein als Wittmann, ist er raus aus dem Meisterschaftsrennen. Immerhin: In Hockenheim holte er zum Saisonauftakt die meisten Punkte aller vier Titelaspiranten.

Ausgangssituation für Robert Wickens:

Aktueller PunktestandPunkte in den letzten sechs RennenErgebnis Budapest 2014Ergebnisse Hockenheim 2016
1206211. Platz2. Platz/5. Platz

Meisterschaftschancen für Robert Wickens: kaum machbar

Jamie Green: Mehr als nur Mortaras Wasserträger?

Der vierte Kandidat im Bunde ist Jamie Green, der nur einen Punkt hinter Robert Wickens liegt. Mit ihm hat Audi als einziger Hersteller noch ein zweites Eisen im Feuer, wenngleich er seinen Status als Nummer eins zuletzt einbüßte. Als Wasserträger muss sich der Brite jedoch nicht fühlen. Zwar ist sein Rückstand auf Marco Wittmann mit 51 Zählern enorm, den 18 Punkte entfernten Edoardo Mortara könnte er jedoch recht zügig einholen - je nach Rennverlauf. Sollte Mortara zudem Audi tatsächlich verlassen, kann Green darauf vertrauen, dass er sich erst im letzten Rennen einer Stallorder unterwerfen müsste.

Gar keine Fragen aufkommen lassen würde Green, wenn er in Budapest sofort das Tempo an der Spitze diktiert. Sein Manko: Er steht erst bei einem Saisonsieg, eingefahren in Zandvoort. Die Zeit für zweite oder dritte Plätze ist für Green jedoch vorbei, es zählen nur Siege. Und da tat sich der 34-Jährige bislang schwer. Zudem spricht der Hungaroring nicht gerade für ihn. 2014 wurde er nur Siebter, das wäre nun viel zu wenig. Noch schlimmer fällt der Blick auf seine Resultate in Hockenheim zum Saisonauftakt aus. Keinen einzigen Punkt holte er dort. Ändert sich an diesen Bilanzen nicht schleunigst etwas, wird sich Audi wohl ziemlich bald auf Mortara konzentrieren müssen.

Ausgangssituation für Jamie Green:

Aktueller PunktestandPunkte in den letzten sechs RennenErgebnis Budapest 2014Ergebnisse Hockenheim 2016
119567. Platz15. Platz/DNF

Meisterschaftschancen für Jamie Green: extrem gering

Fazit: Marco Wittmann muss einfach so weitermachen wie bislang, dann steht seinem zweiten Titelgewinn nichts mehr im Wege. Auch er ist natürlich nicht vor Zwischenfällen, Problemen oder auch schlicht einem schlechten Tag gefeit. Doch es bräuchte mehr als nur ein Problem für den Meister von 2014, damit die Konkurrenz noch hoffen darf.