Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Im Rennsport muss aber gar kein Streit zweier Kontrahenten vorliegen, um zu profitieren. Es reichen auch diverse andere Probleme. In genau dieser Situation befindet sich aktuell Marco Wittmann. Nach zehn Rennen stand er erst zweimal auf dem Podest, dennoch führt er die Meisterschaft an. Der Grund liegt auf der anderen Seite der Medaille. Abgesehen vom ersten Rennen in Hockenheim punktete er in jedem einzelnen Lauf, und das nicht zu knapp.

Dabei ist BMW nach wie vor im Nachteil, das Auto ist nicht auf Augenhöhe mit den Audis, auch Mercedes war in Zandvoort deutlich schneller. Doch während sich BMW - mit Ausnahme vielleicht von Antonio Felix da Costa - aus den meisten Zwischenfällen heraushält, kegeln sich die Kontrahenten gegenseitig raus oder erleiden Defekte. Besonders Mercedes wurde zuletzt arg gebeutelt. Am Norisring wurde Robert Wickens als Gesamtführender von Mattias Ekström abgeschossen, in Zandvoort musste er kurz vor Rennende auf Rang zwei liegend einen Reifenschaden hinnehmen. Mit diesen 36 Punkten wäre der Kanadier weit vorne. Doch das Leben ist bekanntlich kein Konjunktiv.

Bereits am Norisring hatte Robert Wickens großes Pech, Foto: Simninja Photodesignagentur
Bereits am Norisring hatte Robert Wickens großes Pech, Foto: Simninja Photodesignagentur

"Letztendlich war es so: Wir wollten ein Stück weit nach vorne kommen und ein paar Punkte mitnehmen. Wenn andere mit Reifenschäden zu kämpfen haben, soll das nicht unser Problem sein. Das nehmen wir gerne mit. Die Meisterschaft bleibt weiter eng", so Wittmann nach dem Hauptrennen in Zandvoort.

Wittmann nun dreistellig

Dabei lag er lange Zeit nur auf Rang sechs und konnte das Tempo der Spitze nicht mitgehen. Seine Konkurrenten Edoardo Mortara und vor allem Robert Wickens schienen ihm auf die Pelle zu rücken. Mit Rang zwei hätte Wickens punktgleich gar die Führung vor Wittmann übernommen. Doch dann kam der Reifenschaden bei Mercedes. Wickens und Vietoris blieben punktelos, Wittmann erbte Rang vier. Er führt nun mit 105 Punkten sieben Zähler vor Jamie Green, Mortara folgt weitere zehn Zähler dahinter.

Als er 2014 Meister wurde, war der 26-Jährige deutlich dominanter unterwegs. Die Saison damals bestand nur aus zehn Rennen, seit vergangenem Jahr gibt es das neue Rennformat mit zwei Läufen pro Wochenende. Aktuell sind aber ebenfalls exakt zehn Rennen vorüber, eine Gegenüberstellung ist möglich. Die folgende Tabelle zeigt die beiden Saisons von Marco Wittmann im Vergleich:

Wittmann Vergleich 2014-2016

20142016
Siege41
Podestplätze52
Platz 4-1047
Ausfälle--
Punkte156105

Man sieht, dass Wittmann schon vor zwei Jahren für seine Konstanz belohnt wurde. Keine Ausfälle, dafür fast in jedem Rennen in den Punkten. 2014 war der BMW allerdings noch ein Siegfahrzeug, das ist in diesem Jahr so nicht der Fall. Maxime Martin ist als Sechster der zweitbeste BMW-Pilot in der Gesamtwertung, bereits 42 Punkte hinter Wittmann. In Spielberg gewann BMW beide Rennen, begünstigt jedoch durch gewisse Umstände, zum Beispiel durch den neuen Asphalt. Ansonsten blieben die Münchner sieglos.

BMW konnte nur in Spielberg siegen, Foto: BMW AG
BMW konnte nur in Spielberg siegen, Foto: BMW AG

Freude beim Blick auf den Kalender

Für Wittmann jedoch spricht der restliche Kalender 2016. In seiner Meistersaison gewann er sowohl in Budapest, als auch am Nürburgring. Beide Strecken werden noch befahren. Der Lausitzring sowie der Norisring, wo es vor zwei Jahren nicht so lief, sind bereits abgehakt, Oschersleben steht gar nicht im Kalender. "Effektiv muss man auch einen kühlen Kopf bewahren und Punkte mitnehmen. Wenn die anderen meinen, sie müssten sich das Leben selbst schwer machen, dann soll mir das recht sein", erklärte Wittmann bereits am Norisring im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Hilfreich für Wittmann könnte auch die Situation sein, dass BMW sich nun voll und ganz auf Wittmann konzentrieren kann. In Zandvoort hielt ihm Timo Glock über weite Strecken des Rennens den Rücken frei, was Wittmann bereits dankend zur Kenntnis nahm. Audi und Mercedes dagegen haben noch mehrere Fahrer im Köcher. Bei Audi liegen Jamie Green und Edoardo Mortara direkt hintereinander, auch bei Mercedes haben sowohl Robert Wickens, als auch Paul Di Resta noch berechtigte Titelchancen. Wittmann würde es mit Sicherheit begrüßen, sollte es zu etwaigen Kollisionen kommen. Das Eichhörnchen steht bereit.