Hinter den Kulissen kommt die DTM nie zur Ruhe - vor allem 2014 nicht. Zur kommenden Saison wird es Änderungen geben, so viel steht fest. Motorsport-Magazin.com stellt die aktuellen Regeln auf den Prüfstand und gibt einen Ausblick auf die Saison 2015. Diesmal: die Pflichtboxenstopps.

Boxenstopps: Aus der Not geboren

Und jährlich grüßt das Murmeltier. In der DTM steht der pelzige Nager stellvertretend für die Boxenstopps. In unschöner Regelmäßigkeit wartet die Tourenwagenserie jährlich mit Änderungen bezüglich des Reifenwechsels während eines Rennens auf. Fahrer und Fans können sich schon einmal darauf einstellen, auch 2015 mit einem neuen Reglement konfrontiert zu werden. Fakt ist: Der zu diesem Jahr eingeführte, einzelne Pflichtboxenstopp im mittleren Renndrittel funktionierte nicht.

In der Theorie haben die Fahrer während eines Rennens rund 16 Runden Zeit, von der einen Reifenmischung auf die andere zu wechseln. In der Realität steuert ein Großteil des Feldes die Boxengasse innerhalb von zwei Runden an. Großaufgebot in der Box! Der Plan dahinter ist klar: Jeder Fahrer will das absolute Maximum aus den völlig überlegenen Option-Reifen herausholen, während die Standard-Starter nach dem Reifenwechsel maximal 50 Prozent der Renndistanz auf den Options fahren dürfen. So kommt es zu Überschneidungen und einer überfüllten Boxengasse.

Der Klassiker: Stau in der Boxengasse, Foto: DTM
Der Klassiker: Stau in der Boxengasse, Foto: DTM

Kaum noch Taktik in der DTM

Schon vor dem Saisonbeginn hatte sich abgezeichnet, dass genau dieser Fall eintreten wird und unterschiedliche Rennstrategien quasi flach fallen. "Das Strategie-Thema hat einen großen Reiz und gibt die Möglichkeit, etwas Besonderes zu schaffen: Wenn man beispielsweise aus den letzten Reihen startet und es mittels der richtigen Taktik trotzdem in die Top-Fünf schafft. Das wird dieses Jahr nicht mehr möglich sein", prognostizierte Timo Scheider im Interview mit Motorsport-Magazin.com noch vor dem Saisonstart in Hockenheim. Der Audi-Pilot sollte Recht behalten.

Der Pflichtstopp zur Rennmitte war eine reine Notlösung, nachdem kurzfristig entschieden worden war, zur Saison 2014 noch einmal zwei unterschiedliche Reifenmischungen einzusetzen. Dabei hatte der eigentliche Plan vorgesehen, dieses Jahr nur noch einen Reifentyp zu nutzen. Nach dem vermuteten Wegfall einer der beiden Reifenmischungen zur kommenden Saison werden sicherlich auch Änderungen an der Boxenstopp-Regelung vorgenommen.

In der Box geht es immer hektisch zu, Foto: Audi
In der Box geht es immer hektisch zu, Foto: Audi

Oberstes Ziel: Verständlichkeit

Oberste Priorität hat dabei die Verständlichkeit des Rennverlaufes. Nachdem in den letzten Jahren einige Male Fahrer ihren zweiten Pflichtstopp erst kurz vor dem Ende eines Rennens absolvierten, mehrte sich die allgemeine Kritik an der Lesbarkeit. Dabei verfolgt die DTM das Ziel, die Rennen für jeden Zuschauer - und auch die Fahrer - so verständlich wie möglich zu machen. Ansonsten funktioniert der Tourenwagensport nicht, so viel ist klar.

"Das Ziel muss sein, ein System zu finden, bei dem der Zuschauer das Rennen nachvollziehen kann, ohne auf den Zeitenmonitor zu schauen und zwei Renningenieure neben sich sitzen zu haben", forderte DTM-Experte Manuel Reuter gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Es sollte in die Richtung gehen, den Teams zu Beginn des Rennens alle Freiheiten zu lassen. 15 oder 20 Minuten vor Rennende muss dann jeder seinen Stopp absolviert haben - damit ab diesem Zeitpunkt jeder weiß, wie der aktuelle Stand im Rennen aussieht." Reuter, Sprecher der Fahrervereinigung DTMDA, fügte hinzu: "Wir sollten zum Beispiel nicht mehr dieses starre Boxenstoppfenster haben, um dadurch mehr Abwechslung zu schaffen."

Reuters Idee dahinter: Einen Großteil des Rennens können die Teams in Sachen Strategie frei entscheiden und sich mögliche Vorteile erarbeiten. Ab einem bestimmten Zeitpunkt, etwa zu Beginn des zweiten Renndrittels, muss aber klar ersichtlich sein, welcher Fahrer denn nun um den Sieg kämpft. Unterstützung erhielt der frühere DTM-Champion unter anderem von Gary Paffett, der seine Vorstellungen einmal deutlich aussprach: "Man braucht eine offene Strategie und nur einen Reifen. Du musst die Wahl haben und eine eigene Strategie nutzen können. Im Moment brauchst du eigentlich gar keinen Rennstrategen, alles ist sehr eingeschränkt."

Neuer Einblick: Wärmekamera beim Reifenwechsel, Foto: BMW
Neuer Einblick: Wärmekamera beim Reifenwechsel, Foto: BMW

Boxenstopp als Teil der Show

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Boxenstoppfenster 2015 komplett gekippt wird, ist unterdessen sehr gering - und natürlich von der Reifen-Lösung abhängig. Ein gutes Argument lieferte Wolfgang Schattling. "Ohne Stopps wird es nicht gehen, das ist eines der Highlights", erklärte der Mercedes-Sprecher. "Es zeigt auch, dass der Sport Teamwork ist und dass das Team die Performance ausmacht." Außerdem wollen alle Beteiligten vermeiden, dass die DTM zu den Prozessionen der vergangenen Jahre zurückkehrt, als die Fahrer ab einem bestimmten Zeitpunkt wie an der Perlenkette im Kreis fuhren.

Nicht zu vergessen ist der Sicherheitsaspekt bei der Boxenstopp-Regelung. Es gilt: je voller die Boxengasse, desto höher die Unfallgefahr. Ein Beispiel war die Wickens/Glock-Situation in Spielberg, die später ungeahnte Ausmaße annahm und für einen mittelschweren Skandal in der DTM sorgte.

"Letztendlich ist es ein Sicherheitsproblem", bestätigte Audi-Rennleiter Dieter Gass. "Wir haben den Pflichtboxenstopp beim Safety Car verboten aus dem Grund, dass wir nicht alle Autos gleichzeitig in der Box haben wollen. Jetzt haben wir das wegen der Regeländerung durch die Hintertür eigentlich wieder eingeführt." Derartige Kurzschluss-Lösungen soll es zur Saison 2015 nicht mehr geben.

Nächster Prüfstand: Strafenkatalog

Lesen Sie in der nächsten Motorsport-Magazin.com-Ausgabe von 'Regeln 2015 auf dem Prüfstand': verwirrende Strafen, die immer wieder im Mittelpunkt standen und dem Ruf der DTM schadeten.