Das wohl chaotischste DTM-Rennen der Saison sorgt für Diskussionen: Ist das noch ein echtes Rennen gewesen? Nicht weniger als vier Safety-Car-Phasen warfen sämtliche Strategien über den Haufen. Mike Rockenfeller avancierte zum tragischen Helden, zumindest blieb dank Mattias Ekström der Sieg noch in der Audi-Familie. Aber trotzdem: Sind die Regeln, so wie sie momentan sind, tragbar? Dass ein Safety Car Probleme machen kann, war bereits klar, als die Regeln publiziert wurden. Oschersleben war ein erster Warnschuss, nun wurde erstmals die Reihenfolge komplett durcheinandergewürfelt. Mehrere Fahrer äußern im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com ihre Vorschläge zu diesem Reizthema.

Kritik am jetzigen Reglement

Die Grundproblematik ist: Wer auf weichen Reifen losfährt, muss darauf hoffen, dass es kein Safety Car gibt. Denn ein SC bedeutet automatisch die Annullierung aller Abstände. "Ich habe es immer gesagt: Wenn du auf Option startest und das Safety Car kommt raus, bist du immer im Nachteil, egal wann es kommt." Einen Sonderfall stellt es dar, wenn aber schon einige Fahrer gestoppt haben und andere noch nicht: Im Falle eines Safety Cars ist ein früher Boxenstopp immer förderlich. Und so geschah es auch in Zandvoort: Marco Wittmann wurde durch die verschlissenen Option-Reifen zum Boxenstopp gezwungen, was sein Rennen rettete. Mike Rockenfeller konnte noch länger fahren und kam nicht rein - und biss ins Gras.

Tragischer Held: Mike Rockenfeller fiel von Platz 1 auf Rang 17 zurück, Foto: DTM
Tragischer Held: Mike Rockenfeller fiel von Platz 1 auf Rang 17 zurück, Foto: DTM

Der Pechvogel fand deutliche Worte: "Das ist für mich nicht okay vom Reglement her. Es hat mit Fairness oder Sportlichkeit wenig zu tun." Augusto Farfus pflichtet ihm bei: "Vielleicht können wir eine andere Lösung für die Zukunft finden." Nico Müller analysiert: "So etwas kann ein Rennen komplett durcheinanderwirbeln, so dass es einerseits für die Fans schwer zu verstehen ist und es auch für uns natürlich manchmal auch extrem hart ist, wenn man eigentlich alles richtig macht, aber die Belohnung ausbleibt." Er beschreibt das Problem aus Zuschauersicht: "Es ist schwer zu verstehen, wieso jetzt einer gewinnt, der gestern noch nach hinten versetzt worden ist, und der beste Fahrer nur 17. wird."

Fahrer plädieren für Boxenstopp unter gelb

Von diesem Heck wird Rockenfeller noch lange träumen, Foto: BMW AG
Von diesem Heck wird Rockenfeller noch lange träumen, Foto: BMW AG

Für die Fans intransparent und nicht nachvollziehbar, für die Fahrer und Teams ärgerlich: Das jetzige Reglement droht zum Reinfall zu werden - nicht ohne dass davor zu Saisonbeginn gewarnt worden wäre. "Wir müssen nachdenken, wie man das Reglement optimieren kann, damit der Glücks- oder Unglücksfaktor geringer wird", sagt Bruno Spengler. Das Problem dabei: Wie sollte es anders gemacht werden? Die Fahrer haben einen schnell abstellbaren Fehler im Reglement aufgezeigt: "Es ist relativ einfach: Erstmal unter gelb in die Box fahren zu dürfen, dann gibt es schon einmal weniger Nachteile", schlägt Rockenfeller vor.

Martin Tomczyk stößt ins gleiche Horn, gibt aber zu bedenken: "Das Safety Car ist immer ein Glückspiel, vor allem bei vier Phasen. Es ist ein unbeeinflussbarer Faktor, kann immer passieren, und bringt Rennen durcheinander." Dennoch wären Stopps unter gelb auch seiner Meinung nach ein sinnvoller Weg, dem Chaos zumindest ein wenig Herr zu werden. "Aber im Reglement steht nun mal, dass es verboten ist." Lediglich Timo Glock opponiert offen: "Das Problem hast du genauso, wenn du es erlaubst, unter gelb zu stoppen. Da gibt es auch wieder welche, die mehr profitieren als andere."

Doch auch ein Boxenstopp während der SC-Phase würde nur die Symptome bekämpfen, während die Grundproblematik erhalten bleibt: Die Abstände, von denen die auf Optionsreifen gestarteten Fahrer nach den Stopps zehren müssen, bleiben nicht erhalten. Somit sind sie den Piloten, die im zweiten Stint die weichen Reifen haben, schutzlos ausgeliefert. Zandvoort war hier sogar noch ein Spezialfall, da aufgrund des hohen Reifenabriebs die Option-Reifen auf den Mercedes und BMWs nach knapp zehn Runden eingingen. Auf anderen Strecken hätten Wittmann und Co. vermutlich nicht einmal mehr Punkte geholt.

Alternative Optionen: Full Course Caution oder Code 60 ohne SC

Was kann man also tun? "Ich glaube, dass Regeln wie in der Formel 1 ganz interessant wären. Dass man eben nicht Vollgas Richtung Box fährt, sondern in einer gewissen Zeit, damit der Abstand zu allen gleich bleibt." In der Formel 1 greift das, damit die Fahrer nicht volles Rohr bei gelb an die Box rasen, das SC bleibt aber erhalten. Dieses System leicht abzuwandeln klingt zunächst einmal logisch: Das Safety Car würde dabei gar nicht mehr auf die Strecke gehen, sondern die Fahrzeuge langsam um die Strecke fahren. Das würde die Abstände einfrieren. Zwar würden die Fahrer auf weichen Reifen noch immer einiger Runden beraubt werden, um Vorsprung herauszufahren, verlieren aber wenigstens nicht das gesamte Polster.

Mattias Ekström nutzte den Vorteil der weichen Reifen konsequent aus, Foto: DTM
Mattias Ekström nutzte den Vorteil der weichen Reifen konsequent aus, Foto: DTM

Eine solche "Full Course Caution" ohne Safety Car wurde bereits erfolgreich in der World Endurance Championship angewandt. Doch auch das kommt nicht überall gut an: "Das hört sich blöd an und sieht bestimmt auch komisch für diejenigen Zuschauer aus, die keine Ahnung haben", mahnt Timo Scheider, und fügt an: "Das ist nicht der richtige Schritt." Langsam um die Strecke schleichende Autos wird man vermutlich auch in der DTM-Kommission nicht gerne sehen. Eine weitere Möglichkeit wäre, nur eine lokale Neutralisation zu schaffen, also eine Code-60-Zone nach dem Vorbild von VLN und den 24-Stunden-Rennen am Nürburgring und in Le Mans, die das SC ersetzen.

Allerdings sind diese Systeme auch nicht unumstritten. Martin Tomczyk fegt beide Vorschläge in einem Handstreich weg: "Solange es kein funktionierendes Marshalling System gibt, ist das alles schwierig zu überwachen." Eine Alternative schlägt Scheider vor: "Solange es den Pflichtboxenstopp und unterschiedliche Reifen gibt, wird das immer ein Thema bleiben. Besser wäre nur eine Reifenmischung, oder kein Pflichtstoppfenster. Das würde ein Glückspiel verhindern." Sicher ist, dass dieses Rennen in der Winterpause noch einmal gründlich thematisiert werden wird.