Die 70. Ausgabe des 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps wurde von mehreren schweren Unfällen im Hauptrennen sowie im Rahmenprogramm überschattet. Knapp eine Woche nach dem belgischen Klassiker steht fest: Die Beteiligten hatten Glück im Unglück.

Dass es nicht zu schwerwiegenden Verletzungen kam, ist auch der Sicherheit der beteiligten Fahrzeuge zu verdanken. So zerfetzt, wie der Bentley und auch der Lamborghini nach dem schweren Crash in der Nacht des Rennens aussahen, musste man das Schlimmste befürchten.

Beide Fahrer waren bei ihrer Rettung bewusstlos und wurden zunächst in das Medical-Center an der Rennstrecke gebracht. Nach ihrer Stabilisierung wurden Lambo-Fahrer Jürgen Krebs und Bentley-Boy Andrew "Andy" Meyrick in ein Krankenhaus nach Verviers transportiert.

Der Brite, der einen Arm- und Rippenbrüche erlitten hat, konnte das Hospital ebenso wie Lexus-Pilot Stéphane Orteilli, der kurz nach Mitternacht ebenfalls einen schweren Unfall hatte, inzwischen wieder verlassen.

Dagegen wartet Lambo-Pilot Jürgen Krebs noch auf eine Überführung in ein Krankenaus in der Nähe seines Schweizer Heimatortes. Der 52-Jährige befindet sich ebenfalls auf dem Weg der Besserung. Krebs hat nicht - wie ursprünglich angenommen - ein Schädel-Hirn-Trauma, aber sieben Rippenbrüche und eine Beinverletzung erlitten.

Streckenposten aus Krankenhaus entlassen

Auch die vier Streckenposten, die bei einem Rennen der Lamborghini Super Trofeo im Rahmenprogramm der 24 Stunden ebenso wie der schwedische Lambo-Fahrer Fredrik Blomstedt bei seinem Horrorunfall verletzt wurden, konnten das Krankenhaus inzwischen verlassen.

Am vergangenen Sonntag wurde der Marathon zwei Mal rund um die Uhr nach rund 10:40 Stunden Fahrzeit für 1:45 Stunden unterbrochen. Schwerwiegendere Maßnahmen waren nicht nötig.

Abbrüche für die Geschichtsbücher

"Ein Abbruch wäre nur dann erfolgt, wenn bei dem schweren Unfall in der Nacht ein oder sogar beide Fahrer tödlich verletzt worden wären", begründete Renndirektor Roland Bruynseraede bei Motorport-Magazin.com die Möglichkeit eines Rennabbruchs in Spa. "Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft kommen, ist Feierabend. Dann braucht es auch keine Sitzung mehr."

Bruynseraede, der aktuell für den Automobil-Weltverband FIA als Sicherheitsinspekteur arbeitet und für die Abnahme von Strecken wie Le Mans und dem Norisring verantwortlich ist, kann sich aber noch gut an Zeiten erinnern, in denen das 24-Stunden-Rennen tatsächlich abgesagt werden musste.

König tot - Rennen abgesagt

So wurde vor rund 25 Jahren der heutige Langstrecken-Klassiker abgebrochen und nicht mehr neu gestartet. "Der König von Belgien, Baudouin I, ist tot". Mit diesen wenigen Worten hatte die spanische Nachrichtenagentur EFE am Sonntag, den 1. August 1993 um 00:30 Uhr, den Tod von König Baudouin bekanntgegeben. Wenige Stunden zuvor hatte der 62-Jährige am Samstagabend einen plötzlichen Herzstillstand in seinem spanischen Feriendomizil Motril erlitten.

Die Schocknachricht, die kurz nach 1:00 Uhr durch eine knappe Erklärung des belgischen Premierministers Jean-Luc Dehaene offiziell bestätigt wurde, löste großes Entsetzen aus. Auch beim Royal Automobile Club de Belgique (R.A.C.B.) als Veranstalter des Langstreckenklassikers in den belgischen Ardennen.

Nur 15 statt 24 Stunden

Bruynseraede kann sich noch genau an Einzelheiten erinnern. "Ich bin kurz vor Mitternacht über den Tod des Königs informiert worden. R.A.C.B.-Präsident Graf de Liedekerke wollte das Rennen sofort abbrechen, was ich zunächst verhindert habe", sagte Bruynseraede. "Nach einer internen Sitzung haben wir dann entschieden, dass ich alle Teams persönlich darüber informiere, dass das Rennen wegen des Todesfalles um 7.00 Uhr und nach insgesamt 15 Stunden Renndauer abgebrochen wird.

Den R.A.C.B. hätte diese Entscheidung viel Geld gekostet. "Wir haben beispielsweise alle Tickets, die am Sonntag Gültigkeit hatten, ebenso zurückerstattet wie bereits georderte Getränke und Essen für das Catering."

Politik und viele Diskussionen vor dem Rennen

In Zeiten großer Veränderungen bei Touren- und Sportwagen war es schwierig, sich auf ein Regelwerk zu einigen, das allen eine faire Chance bot. Porsche drohte mit einem Rückzug, weil die Sportwagen aus Weissach, die mit 27 Fahrzeugen mehr als die Hälfte des gesamten Starterfeldes (50) stellten, mit 100 kg Mehrballast antreten sollten. Stattdessen wurde eine Alternative gesucht und gefunden: Das Betankungssystem sorgte dafür, dass die Porsche länger in der Box verweilen mussten.

Auch dieser Nachteil konnte die schwäbischen Sportwagen nicht bremsen, am Ende belegten sechs Porsche auch die besten sechs Plätze im Gesamtklassement. Beim Rennabbruch hatten Uwe Alzen, Christian Fittipaldi und Jean-Pierre Jarier im Roock-Porsche Carrera RSR 3.8 einen Vorsprung von lediglich 2:18 Minuten vor den Markenkollegen Michael Bartels, Yannick Dalmas und Harald Grohs im Porsche Carrera 2 des Teams Wehmeier & Castrup. Das siegreiche Porsche-Trio spulte lediglich 309 Runden (2154,904 km) ab. Zum Vergleich: Nur bei der Premiere des 24h-Rennens in Spa 1924 waren es weniger (1879,992 km).

Kurios: 1993 brannte ein Haus neben der Rennstrecke ab. Wegen der Löscharbeiten neutralisierte Bruynseraede das Rennen für 90 Minuten mittels Safety-Cars.