MSM: Was treibt Reiter Engineering an, in der Blancpain Endurance Series (BES) und in der FIA-GT-Serie zu starten?
Hans Reiter: Je leichter das Fahren in einer Serie ist, desto weniger ist ein Sieg wert. Es macht schon Spaß, wenn man viele gute Gegner hat. Ich fahre viel lieber gegen überlegene als gegen unterlegene Gegner. In Silverstone waren wir 0,6 Sekunden von der Pole weg und damit im Mittelfeld. Im vorderen Mittelfeld ist es verdammt eng.

Ist das Einfrieren der GT3-Homologationen ein richtiger Schritt?
Hans Reiter: Absolut! Denn wir stehen nicht etwa vor einer Krise, wir sind schon mittendrin. Es hat nur noch niemand realisiert. Die Hersteller verkaufen schlichtweg keine Autos mehr, weil es zu teuer geworden ist. In der Preisklasse von 350.000 Euro verträgt der Markt meiner Meinung nach nur 60 bis 70 Autos pro Jahr. Früher gab es die GT2, in der Porsche und Ferrari alleine solche Mengen verkauft haben. Jetzt teilen sich 14 Hersteller den Markt auf. Jeder von uns braucht 20 Autos pro Jahr, um überleben zu können. Ich sehe im GT3-Bereich momentan nicht einen einzigen Hersteller in den schwarzen Zahlen. Wenn das Geld nicht reinkommt, dann kann man zwar die Preise erhöhen, aber ich glaube nicht, dass dies angenommen wird.

Der GT3-Camaro war also eine Reaktion auf diese Entwicklung?
Hans Reiter: Wir haben mit dem Chevrolet Camaro ein Billigauto gebaut und das wird sich definitiv verkaufen. Alles andere wird schwierig. 215.600 Euro kostet ein neuer Cup-Porsche. Davon werden etwa 200 Stück im Jahr verkauft. [lacht] Es gibt eben mehr Leute, die weniger Geld haben, als Leute, die viel Geld haben. Ein Audi- oder Lamborghini-Kunde würde niemals einen Camaro kaufen. Das ist eine komplett andere Kundschaft. Für diesen Typ Kunden gibt's aktuell keinen passenden Wagen.

Gibt es überhaupt noch Bedarf an GT3-Fahrzeugen?
Hans Reiter: Ich schätze, wir haben momentan etwa 700 Autos weltweit. Es ist unglaublich, dass der Markt sich so entwickelt hat. Ehrlich gesagt: Wenn ich heute Rennfahrer wäre, würde ich mir auch ein solches Auto kaufen. Die sind einfach zu fahren und haben tolle Leistung. Es ist schon die richtige Klasse. Man muss zugeben: Alle anderen Märkte sind so gut wie tot. In der GTE verkaufen die Hersteller teilweise sogar überhaupt keine Autos mehr und bei den Prototypen schaut's auch nicht gut aus. Courage gibt's nicht mehr, Pescarolo gibt's nicht mehr und Lola ist auch pleite. Wenn noch irgendwo etwas geht, dann in der GT3. Aber wenn wir preislich so weitermachen und bei 400.000 Euro landen, sind auch wir tot. Es muss Vernunft einkehren. Die Autos gibt's ja, man muss sie nicht wegwerfen.

Wie hoch ist der finanzielle Druck für einen privaten GT3-Konstrukteur?
Hans Reiter: Wir sind einer der effizientesten Hersteller, weil wir nur eine kleine Bude sind. Wenn ich fünf bis sechs Autos verkaufe, reicht mir das. Wenn man aber bedenkt, dass andere Hersteller noch eine riesige Firmenstruktur mitfinanzieren müssen, dann geht unter 20 Fahrzeugen gar nichts.

Wie begegnet Reiter Engineering diesem Problem?
Für mich ist wichtig, dass die Konstrukteure auch Renningenieure sind. Sie müssen die Probleme an der Rennstrecke erleben und nicht über Berichte. Wenn ein Fahrer "terrible understeering" ins Mikro brüllt und die ganze Mannschaft aufmischt, dann dürfen die Konstrukteure auch live dabei sein. Sie haben das Auto eben entworfen.

Machen die Renndistanzen jenseits der 24-Stunden-Rennen einen großen Kostenunterschied?
Hans Reiter: Die Autos sind im Unterhalt nicht teuer. Zirka zwölf Euro Materialverschleiß pro Kilometer. Andere Autos sind bei etwa 20 Euro. Dann spielt es keine Rolle, ob ich 500 oder 1.000 Kilometer fahre. Wir reden da also von 5.000 bis 6.000 Euro mehr plus Reifenkosten. Bei der GT1 hatte der Kilometer 50 Euro an Materialkosten.

Kann man als kleiner GT3-Entwickler denn mit den Werken mithalten?
Hans Reiter: Von der Performance her können wir mit den Werken konkurrieren, ja. Das ist toll für so eine kleine Dorfschmiede wie wir eine sind. Aber ich verkaufe ja auch keine Straßenautos. Ich muss private Kunden finden, die gerne mit dem Lambo fahren wollen. Wenn ich mir als Kunde eines von den anderen Autos hole, werde ich hinter den zehn Werksautos Elfter. Wenn ich weiß, dass ein Hersteller werksseitig kommt, werde ich als Kunde immer im gleichen Auto das Nachsehen haben - [lacht] und ich kann es nicht mal aufs Auto schieben.

Wie kommt das Budget für die Rennen zusammen?
Hans Reiter: Wenn wir nur den Motorsport hätten, kämen wir nie auf die Füße. Wir müssen den Lifestyle reinbringen, damit die Sponsoren kommen. Und die Blancpain-Serie ist Lifestyle. Wir haben etwas, das der Clio-Cup nicht hat, ja, sogar nicht mal die DTM: Wir haben die Kundschaft, die mit dem Privatjet kommt. Und zwar in solchen, bei denen man sich beim Einsteigen nicht bücken muss. Und genau diese Klientel müssen wir erreichen. Aber: Wir tun das bislang zu wenig.

Ist das ADAC GT Masters die Messlatte im Promotionbereich?
Hans Reiter: Das GT Masters hatte immer schon gute Fernsehvermarktung. Es ist alles nicht wirklich schlecht. Obwohl man heute viel kritisiert, was schlecht läuft, kann ich nur immer sagen: Wir haben zehnmal mehr Fernsehen und Presse als die 2. Fußball-Bundesliga - und in der 2. Bundesliga wird viel mehr Geld verbrannt. Wir werden nie Bundesliga sein, aber mit der 2. Bundesliga können wir es in der Medienpräsenz aufnehmen, sind dabei sogar noch günstig.

Ist die DTM direkte Konkurrenz?
Hans Reiter: Es sind tolle Rennen, die spannend sind. Aber wir werden uns gegen DTM oder Formel 1 immer schwertun. Das ist Spitzensport und das muss man anerkennen. Wir müssen schauen, was unsere Stärken sind. Wir haben Leute, die äußerst interessant sind für die Presse. Der Wert vom Albert ist ja nicht, wenn er in einem Motorsportheft kommt, sondern in der "Bunte". Die hat über vier Millionen Leser. Mit einem "Bunte"-Artikel kann man die ganze Saison vom Werbewert erschlagen. [lacht] Nichts gegen euer Motorsport-Magazin. Das kann etwa die DTM nicht bieten. Wenn man hier bei der BES durch die Boxen geht, findet man fast überall interessante Leute.

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