Sind die Fahrereinstufungen und die Klassenstrukturen im GT-Sport ein Hindernis für unerfahrene Zuschauer? Muss man es zu oft erklären?
Ich glaube, es ist gar nicht notwendig. Wer als Erster ins Ziel fährt, hat gewonnen. Dann interessiert es nicht, wer Profi und wer Amateur ist. Es ist für die Gentlemen gut, dass sie auch einen Pokal kriegen, wenn sie ihre Klasse gewonnen haben. Aber für die Zuschauer ist das egal. Die Autos sind ja gleich. Wenn etwa [Niki; Anm. d. Red.] Mayr-Melnhof im Regen [in Nogaro bei der FIA-GT-Serie] vor den Profis fährt, dann ist das doch schön. Man muss es nicht erklären, sollte es nicht erklären. Gleiche Autos, gleiche Chancen. Unter den Gentlemen selbst kann dann geschaut werden: "Ich bin Unternehmer, du bist Unternehmer und dieses Mal war ich der Beste unter uns." Für den Zuschauer hat das aber keine Relevanz. Ich würde gar nicht versuchen, es zu erklären.

War deshalb der Gallardo mit der Nummer 125 in Le Castellet in der Pro-Klasse gemeldet?
Wir haben drei junge Fahrer: Jos Menten fährt nur sporadisch Rennen und hat ein großes Unternehmen zu Hause. Der [Štefan] Rosina ist Unternehmer daheim und der Albert ist auch ein Gentleman. Aber: Die wollen halt in der Pro fahren. Natürlich haben´s keine Chance. Wir wollen es probieren und vorne mitfahren. Realistisch gesehen haben die keine Podiums-Chance, aber wenn doch, ist´s umso schöner.

Aber die Ambitionen bei den bekannten Langstreckenrennen sind doch größer?
Die Frage ist immer: Wie geht man es an? Bei uns heißt es: immer konservativ. Wenn man mit einem Lambo fährt und der fällt aus, dann sind 100 Prozent der Lambos ausgefallen. Kommt man durch, dann sind 100 Prozent angekommen. Bei Audi sind letztes Jahr [in Spa] zehn gestartet und nur zwei ohne Probleme durchgekommen. Wenn ich zehn Autos habe, dann mache ich Attacke, weil einer schon durchkommen wird. Favoriten sind immer die, die ohne Rücksicht auf Verluste voll draufhalten können. Mein geheimer Traum ist es, einmal die Pole in Spa zu holen. 2010 haben wir dort in der GT1-WM gewonnen und vor zwei Jahren das Rennen mit unserem GT3 angeführt.

Welche Schulnote könnte das Team dieser BES-Saison geben?
Unsere Saison in der Blancpain Endurance Serie bekommt eine Fünf. Wir haben letztes Jahr bis zum letzten Rennen um die Meisterschaft gekämpft. Das können wir momentan nicht. Jetzt muss mal ein Klassensieg her! Letztes Jahr haben wir in Spa nach sechs Stunden das Rennen angeführt. Das ist das Niveau, das unsere Fahrer erreichen können.

Wie ist die Personalstruktur bei Reiter?
Wir halten das Team relativ klein. Der Hauptkostenfaktor ist das Personal. Wir haben sechs Männer pro Auto, sofern wir Boxenstopps mit Nachtanken absolvieren müssen. Bei Sprintrennen sind es zwei Mechaniker pro Auto und ein Lastwagenfahrer, der zwei Autos macht. Im Gegensatz zu anderen Teams haben wir Ingenieure, die zu 100 Prozent bei uns angestellt sind und dann auch daheim entwickeln können. Von der Struktur her: schlank, schlank, schlank. Sonst sprengen dir die Reisekosten alles weg.

Wie kommt das Budget für die Rennen zusammen?
Wenn wir nur den Motorsport hätten, kämen wir nie auf die Füße. Wir müssen den Lifestyle reinbringen, damit die Sponsoren kommen. Und die Blancpain-Serie ist Lifestyle. Wir haben etwas, das der Clio-Cup nicht hat, ja, sogar nicht mal die DTM …

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Würden Veränderungen im Rennkalender helfen?
Für mich ist es wichtig, dass man ein Nachtrennen in Abu Dhabi fährt. Das macht einfach was her, egal ob am Saisonstart oder am Saisonende. Meinetwegen müssten wir nicht in Silverstone fahren. Diese mühselige Reiserei! Silverstone ist eine der Strecken, die Motorsport genug hat. Die wartet nicht auf uns. In Le Castellet gibt es hingegen den Faktor Côte d´Azure und ansonsten wenige Rennen im Jahr. Du kannst in Zolder nicht mit der BES fahren, da würde es auch einfach zu voll. [denkt nach] Wo waren wir denn bislang? Monza! Das wollen die Leute. Einfach, weil es eine Hochgeschwindigkeitsstrecke ist. Der Nürburgring hat so viele tolle Veranstaltungen, der braucht uns auch nicht. Man sollte einfach zu Strecken gehen, bei denen man das Highlight des Jahres ist.

Das ist bereits die Strategie der FIA-GT-Serie. Wie funktioniert das bislang?
Genau. Das klappt schon ganz gut. Beim Slovakiaring hast du immer Leute. Nicht 100.000, aber 20.000 bis 30.000 laufen da schon rum. Sachsenring war damals [im Jahr 2011] top: Da waren wahnsinnig viele Leute. Selbst wenn in Silverstone 20.000 Leute sind, dann sieht es leer aus, einfach weil die da für mehr als 120.000 Platz haben. Das macht depressiv, genau wie ein leeres Fußballstadion. Dann denken die Leute: Keiner guckt zu, dann ist´s scheinbar nichts Gescheites.

Der brachiale GT1-Lamborghini Hans Reiters im Jahr 2010 auf dem Nürburgring, Foto: Yannick Bitzer
Der brachiale GT1-Lamborghini Hans Reiters im Jahr 2010 auf dem Nürburgring, Foto: Yannick Bitzer

Aber die Erinnerung an die GT1-Zeit ist trotzdem positiv?
Auf jeden Fall. Wenn der Murciélago mit zwölf Zylindern und der Aston Martin an dir vorbei gefahren sind, geschrien haben, dann war das schon geil. Selbst nach zehn Jahren haben sich bei mir immer noch die Haare aufgestellt. Für die GT3 müsste man sich da noch was überlegen.

Was wäre denn denkbar?
Der Ansatz war letztes Jahr schon da. Die GT1 war einfach zu nah an der GT3. Da muss ich mit dem Stéphane [Ratel, dem Serienorganisator der FIA-GT-Serie und BES] wohl mal reden. Aber erst muss sich die FIA-GT-Serie in den nächsten ein bis zwei Jahren etablieren, damit man ein stabiles Feld mit den gleichen Teams hat und auf 20 Autos kommt. Gerade fehlt mir der Sound a bisserl. Wie haben eine Geräuschlimitierung, die man rausnehmen müsste. Das ist im Moment wie ein Rockkonzert mit halber Lautstärke.