Tränen steigen ihm in die Augen als er nach und nach realisiert, was er gerade erreicht hat: Michael van der Mark fuhr in Jerez nicht nur ein geniales Rennen, glänzte nicht nur mit Nervenstärke und Speed, sondern durfte sich in der Auslaufrunde die Nummer eins auf seine CBR600 kleben, ein T-Shirt mit der Aufschrift Magic Michael überstreifen und einen speziell lackierten Titel-Helm aufsetzen, den er später mit einem Zauberhut eintauschte. Ronald ten Kate hat schon viel erlebt, neun Titel gefeiert und zahlreiche Talent gefördert, aber noch nie durfte er zusammen mit einem Landsmann über die Meisterschaft jubeln.

Van der Mark ist in einer Solo-Klasse der erste niederländische Champion auf Asphalt seit 1974. Viele von uns waren noch gar nicht geboren, als die für Holzschuhe, Kanäle und Tulpen bekannten Holländer ihren letzten Champion feierten. In seinem erst 20. Rennen in der World Supersport konnte van der Mark den alten Fluch brechen und löste Henk van Kessel als letzten niederländischen Weltmeister ab. Doch damit noch längst nicht genug, denn der junge Holländer weist eine beeindruckende Statistik auf: In nicht einmal zwei ganzen Jahren auf Weltniveau feierte er fünf Siege, elf Podestplätze und nun den Titel.

Michael van der Mark fuhr auch schon in der deutschen Meisterschaft - mit Erfolg, Foto: IDM
Michael van der Mark fuhr auch schon in der deutschen Meisterschaft - mit Erfolg, Foto: IDM

Dabei ist Magic Michael weitaus mehr als ein fantastischer Rennfahrer. Der 21-Jährige steht trotz seiner Erfolge mit beiden Beinen fest auf dem Boden, fährt ab und an sogar den Truck des Ten Kate Teams und lebt ein (verhältnismäßig) normales Leben. 2005 fuhr er im Alter von zwölf Jahren erstmals in der niederländischen Nachwuchsmeisterschaft und wurde auf Anhiebt Vierter. Im Jahr darauf steuerte er seine Aprilia RS125 sogar auf den zweiten Rang und stieg damit in die 125ccm Klasse der niederländischen Meisterschaft auf und auf eine Honda RS125 um.

Im ersten Jahr der Open Dutch Championship (ONK) fuhr van der Mark direkt auf Platz zwei und erntete damit den niederländischen Rookie of the Year Titel. Da es ihm in den Niederlanden zu langweilig wurde, ging der Pilot aus Gouda 2008 nicht nur in der holländischen, sondern auch in der deutschen und sporadisch in der spanischen 125er Meisterschaft an den Start und gab sein Grand-Prix-Debüt in Assen, das er auf Rang 26 abschloss. Neben dem Gewinn der niederländischen Meisterschaft feierte van der Mark Platz drei in der IDM.

Im Jahr darauf wurde er erneut holländischer Champion, fuhr in Deutschland auf Gesamtrang fünf und beendete seinen Heim-Grand-Prix mit einer Wildcard als bester Niederländer auf Platz 18. Der Versuch mit Lambretta Reparto Corse 2010 im 125er Grand Prix anzukommen, schlug durch den Rückzugs des Teams fehl. Dafür erlebte van der Mark im EAB Ten Kate Junior Team mit Platz sieben in Magny-Cours ein erfolgreiches Debüt in der europäischen Superstock 600 und blieb auch für die kommende Saison in dieser Serie, die er mit vier Siegen als Dritter abschloss. Zudem startete van der Mark in Assen erstmals in der Moto2-WM.

Nach einem weiteren STK600-Jahr und dem Titel in dieser Klasse beförderte ten Kate ihn in die World Supersport, wo van der Mark auf Anhieb Vierter wurde. Parallel fuhr er gemeinsam mit seinen Pata Honda Teamkollegen Leon Haslam das 8h-Rennen von Suzuka mit. Obwohl der damals 20-Jährige noch nie zuvor ein Rennen auf einer 1000ccm Maschine bestritten hat, gewann er das Langstreckenrennen gemeinsam mit seinen Teamkollegen. In dieser Saison konnte der begabte Youngster dieses Ergebnis an der Seite von Haslam und Takumi Takahashi wiederholen. Ganz nebenbei dominierte er die Supersport-Weltmeisterschaft fast nach Belieben. Nach einem Sturz beim Auftakt in Australien war van der Mark 2014 nicht mehr zu bremsen und löste Sam Lowes zwei Rennen vor Saisonende als amtierenden Champion ab.

Auch im Grand Prix zeigte sich der talentierte Niederländer bereits des Öfteren, Foto: Milagro
Auch im Grand Prix zeigte sich der talentierte Niederländer bereits des Öfteren, Foto: Milagro

"Michael van der Mark ist in der Tat in seiner zweiten Saison in der World Supersport sehr stark. Wir haben ehrlich gesagt von ihm erwartet, dieses Jahr einen Schritt zu machen, denn das ist, was junge Fahrer in ihrem zweiten Jahr normalerweise tun. Wir halten viel von ihm, aber es gibt auch noch viele Dinge, bei denen er noch Erfahrungen sammeln muss: zum Beispiel ein Bike einzustellen und zu verstehen worin er seine Energie investieren soll. Er kann sehr aufgeregt sein, wenn zu viel Verkehr auf der Strecke herrscht oder Leute ihm folgen, dann ist er immer ziemlich verärgert und steckt damit Energie in unnötige Dinge", sagte Teamchef ten Kate vor Kurzem im Interview mit dem Motorsport-Magazin.

Und in der Tat hat van der Mark seine Energie besonders im entscheidenden Rennen von Jerez gebündelt und effektiv genutzt. Auch ohne einen Sieg und ohne den Sturz von Jules Cluzel wäre van der Mark wohl spätestens in Magny-Cours Weltmeister geworden. Doch alles wirkte zusammen und bescherte dem 21-Jährigen einen grandiosen Tag, den er so schnell wohl nicht wieder vergessen wird. "Ich kann es gerade nicht glauben. Das war so ein langer Weg. Seit ich mit dem Rennsport angefangen habe, träumte ich davon, eines Tages Weltmeister zu sein und jetzt nach zehn Jahren ist dieser Traum wahr geworden."