Wie sieht die Tankstelle der Zukunft aus? Das ist nicht nur eine Frage, mit der sich Mineralölkonzerne befassen. Mit der Etablierung von Elektroladesäulen sind in der jüngeren Vergangenheit neue Player auf den Markt gekommen. In den kommenden Jahren wird eine weitere Fragmentierung der Branche erwartet. Nun hat Audi angekündigt, ein eigenes Schnellladenetz aufbauen zu wollen. Der Autobauer aus Ingolstadt will mit seinen modular aufgebauten 'Charging Hubs' High-Power-Charging-Ladepunkte primär für die Fahrer der eigenen Modelle bereitstellen. Das erste Pilotprojekt soll im Spätsommer dieses Jahr starten. Audi ist derzeit auf der Suche nach einem geeigneten Standort.

Die Anforderungen an einen Ort, an dem die Container aufgestellt werden können, sind laut Audi gering. Ein Grund für die Flexibilität sind die wiederverwendeten Batteriezellen aus Entwicklungsfahrzeugen, die an den Schnellladepunkten als Stromspeicher eingesetzt werden. Die Speicher werden über Nacht aufgeladen. Deswegen muss keine aufwendige Infrastruktur mit Hochspannungsleitungen und teuren Transformationen geschaffen werden. Sie haben eine Gesamtkapazität von 2,45 MWh, mit der sechs Schnellladepunkte mit einer Ladeleistung bis zu 300 kW betrieben werden können. Durch Photovoltaikanlagen auf dem Dach der 'Charging Hubs' will Audi zusätzliche Unabhängigkeit von der lokalen Infrastruktur schaffen.

Im ersten Geschoss der temporären Bauten befindet sich eine Lounge, in der sich die Fahrer der Elektroautos während des Ladens aufhalten können und in der Getränke, Snacks und Non-Food-Artikel erhältlich sind. Dort sollen sie ein Ambiente vorfinden, das dem Premium-Anspruch des Autobauers entspricht. Audi-Fahrer können sich eine der sechs Ladesäulen reservieren, sodass sie zu einer festgelegten Zeit auf sie zugreifen können. In der Pilotphase sollen auch Nicht-Audi-Fahrer freie Ladesäulen und Teile der Lounge nutzen können.

Foto: Audi
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Umsetzung nach Testphase möglich

Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Testphase und die Kundenakzeptanz sollen über eine weitere Umsetzung des Konzepts entscheiden. "Wir testen sehr praxisnah, was die optimale technische Lösung ist", sagt Oliver Hoffmann, Vorstand für Technische Entwicklung der Audi AG. Die modulare Bauweise erlaubt Audi, die Ladestationen innerhalb kurzer Zeit zu erreichten. Außerdem bietet sie die Möglichkeit, diese abhängig von den jeweiligen Anforderungen zu skalieren.

Der Tankstellenbetreiber Aral hat gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bereits 2019 seine Visionen für die Tankstellen der Zukunft vorgestellt. Die Studie sieht vor, dass sich die Funktionen der Stationen je nach Standort unterscheiden. Während die künftigen Tankstellen im ländlichen Raum am ehesten dem entsprechen könnten, was die Verbraucher heute als Tankstelle kennen, sollen städtische Tankstellen zu einer Mobilitätsdrehscheibe werden. Dort können Verbraucher auf den ÖPNV, Sharing-Fahrzeuge und langfristig gesehen auf elektrische Personendrohnen umsteigen.

Foto: Aral
Foto: Aral

Für die Unternehmen, die bislang klassische Tankstellen betreiben, spielt die Elektromobilität zwar eine große Rolle, sie soll aber perspektivisch nicht das einzige Standbein werden. Unter anderem die laut ADAC-Angaben größten Tankstellenbetreiber Aral (2.300 Stationen), Shell (1.955) und Total (1.157) stockten zuletzt die Anzahl der von ihnen betriebenen Ladepunkte auf. Neben Treibstoffen aus fossilen Rohstoffen könnten auch sogenannte E-Fuels in ihr Angebot aufgenommen werden. Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid erstellt werden.

E-Fuels können klassische Treibstoffe in vielen Bereichen ersetzen. Sie sind unter anderem in Pkw, Lkw, Schiffen und Flugzeugen einsetzbar. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt glaubt, dass Tankstellen künftig in der Lage sein könnten, selbst lokal ihre eigenen Treibstoffe zu produzieren. Dazu könnten sie überschüssige Energie aus Photovoltaikanlagen nutzen. So wäre es möglich CO2-neutrale Kraftstoffe zu anzubieten.