Großer Jubel bei Manthey und Porsche: Die Lokalmatadoren aus Meuspath bescherten dem Sportwagenbauer beim 24-Stunden-Rennen Nürburgring 2021 den 13. Herstellersieg. Pünktlich zum 25. Firmenjubiläum beschenkte sich das von Olaf Manthey gegründete Unternehmen mit dem siebten Gesamttriumph und baute damit seine Stellung als erfolgreichstes Team beim 24h-Rennen aus.

Kevin Estre, Michael Christensen und Matteo Cairoli führten den #911 Grello-Porsche zum Erfolg im mit einer Dauer von 9:29 Stunden kürzesten Rennen in der Geschichte des Eifel-Klassikers. Ein Fahrer fehlte - bis heute sehr zur Verwunderung zahlreicher Fans - allerdings auf dem Podium. Lars Kern, den Manthey als vierten Fahrer auf dem 911er gemeldet hatte, der aber während des Rennens abgemeldet wurde somit per Reglement nicht in der offiziellen Siegerliste erscheinen darf.

Der 33-Jährige habe "aufgrund einer Erkrankung" nicht am Rennen teilnehmen können, wie Porsche in einer offiziellen Pressemitteilung kommunizierte. Kern habe sich am Sonntagmorgen vor dem Re-Start in Folge des zwischenzeitlichen Rennabbruchs "nicht wohl gefühlt", teilte auch eine Manthey-Sprecherin nach dem Rennen auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com mit.

Estre, Christensen und Cairoli auf dem Podium - Teamkollege Lars Kern fehlt, Foto: Gruppe C Photography
Estre, Christensen und Cairoli auf dem Podium - Teamkollege Lars Kern fehlt, Foto: Gruppe C Photography

Bis heute ist nicht bekannt, worum es sich genau bei Kerns "Erkrankung" gehandelt haben soll. Noch am Samstag soll er nach Aussagen von unterschiedlichen Fahrerlager-Insidern einen gesunden Eindruck gemacht haben. Anhand zahlreicher Kommentare von Fans - darunter auch Genesungswünsche - in den sozialen Medien und selbst in der Livestream-Übertragung des Rennens konnte man den Eindruck gewinnen, dass hinter Kerns "Erkrankung" möglicherweise weitere oder sogar andere Gründe steckten.

Kern: Schlimmster Tag meiner Renn-Karriere

Am Montag nach dem Rennen meldete sich Kern, der seit 2016 sechsmal in Folge für Manthey beim 24h-Rennen Nürburgring an den Start gegangen war und ansonsten vor allem bei ausgewählten Langstreckenrennen in den USA (u.a. GTD-Klassensieg bei 24h Daytona 2021 mit Pfaff-Porsche) antrat, erstmals selbst in der Öffentlichkeit zu Wort.

Von einer "Erkrankung" war in dem Eintrag auf Kerns offizieller Instagram-Seite zumindest nichts zu lesen. Neben seiner Freude über den Manthey-Sieg schrieb er: "Ich denke, Jeder hat von der Situation gehört, dass ich in den vergangenen zwei Tagen keine einzige Runde im Grello gefahren bin. Deshalb war ich nicht auf dem Podium und habe nicht die 24 Stunden Nürburgring gewonnen. Ich habe viele Nachrichten erhalten und möchte mich für die netten Worte bedanken. Das bedeutet mir viel."

Kern weiter: "Das Leben und der Motorsport können manchmal brutal sein. Gestern hätte einer der besten Tage in meiner persönlichen Renn-Karriere sein können. Aber es wurde der schlimmste." Zahlreiche Rennfahrer-Kollegen, sowohl aus dem Porsche-Lager als auch von anderen Herstellern, sprachen dem gebürtigen Wiernsheimer Mut zu.

Kern soll nach Informationen von Motorsport-Magazin.com am Sonntagmorgen persönlich beim Porsche-Rennarzt Dr. Jürgen Lindemann vorgesprochen und darum gebeten haben, am zweiten Teil des Rennens mit einer Restdauer von 03:30 Stunden und absolutem Sprintrennen-Charakter - Audi-Ass Christopher Mies: "Ich habe mich gefühlt wie im GT Masters" - nicht mehr teilnehmen zu wollen.

Lars Kern ist Porsche-Entwicklungsfahrer und Rennfahrer, Foto: Porsche AG
Lars Kern ist Porsche-Entwicklungsfahrer und Rennfahrer, Foto: Porsche AG

Gründe für Renn-Abmeldung nicht nötig

Fakt ist, dass das Manthey-Team seinen Schützling um 10:20 Uhr laut Veranstalter offiziell von der Startnummer #911 abgemeldet und als Begründung ein Attest beigelegt hat. Dieser Schritt ist dem Sportlichen Reglement geschuldet: Dort heißt es unter Punkt 8.7.1 wörtlich: Sollte ein Fahrer nicht in der Lage sein, 15 Rennrunden (wegen der verkürzten Renndauer 2021 auf zwei Runden reduziert) zu absolvieren, muss der Fahrer offiziell mit "schriftlicher Begründung" beim Rennleiter abgemeldet werden.

Bemerkenswert: Diese schriftliche Begründung ist nicht näher definiert. Ein Fahrer kann also wegen einer Vielzahl von Gründen aus dem Rennen genommen werden, auch ganz unabhängig von seinem Zustand. Gesundheitliche Gründe können theoretisch ebenso eine Rolle spielen wie rennstrategische Überlegungen.

Der betreffende Fahrer wird dann im Rennergebnis und in der Wertung nicht berücksichtigt. Erfolgt die Abmeldung des Fahrers bei einer verbleibenden Renndauer von weniger als (in diesem Fall) zwei Stunden, kann das betreffende Team nicht mehr gewertet werden. Dem kam ein Manthey-Teammitglied mit Kerns rechtzeitiger Abmeldung zuvor.

24h Nürburgring 2024: Manthey-Porsche gewinnt Abbruch-Rennen: (01:55 Min.)

Enormer Druck beim Sprint-Rennen - Estre wird zum Marathonmann

Mit seiner "Erkrankung" wäre Kern sicherlich erst recht nicht in der Lage gewesen, das Team beim eng geführten Kampf um den Sieg zu unterstützen. Wie groß der Druck auf allen Beteiligten ab Sonntagmittag war, zeigen allein die zahlreichen Unfälle sogar von Top-Werkspiloten, die zuvor am Samstag bei heftigen Regenbedingungen die GT3-Autos noch größtenteils heil gelassen hatten. Der Manthey-Vorsprung von nur 8,817 Sekunden auf den Zweitplatzierten ROWE-BMW mit der #98 zeigt, dass das Rennen zu jedem Zeitpunkt 'auf Messers Schneide' stand.

Auf wen Manthey im Rennen vertraute, belegen allein die jeweiligen Fahrzeiten auf dem Grello-911er. Porsche-Werksfahrer Kevin Estre saß in 30 von insgesamt 59 Runden am Steuer. Der Franzose, der als 'Mann des Rennens' gilt, fuhr am Sonntag den Re-Start sowie den Schluss-Stint. Damit hatte Estre sogar eine Runde mehr absolviert wie seine Teamkollegen Michael Christensen (19 Runden) und Matteo Cairoli (10 Runden) zusammen!

Einschätzungen zum Manthey-Quartett

"Erkrankung" hin oder her: Während manche Szene-Kenner der Meinung waren, dass Kern aus dem Manthey-Quartett am stärksten mit dem enormen Druck des sonntäglichen 'Sprint-Rennens' zu kämpfen gehabt hätte und deshalb bei ihm das größte Risiko eines Renn-Unfalls bestand, fanden andere, dass er zumindest auf der Nordschleife schneller ist als der frühere Porsche-Junior Cairoli.

Fest steht: Kern kennt die Nordschleife aus dem Effeff. Unter anderem erzielte der Porsche-Serienentwicklungsfahrer 2018 mit einem von Manthey umgebauten 911 GT2 RS MR in 6:40.3 Minuten einen neuen Rekord für straßenzugelassene Fahrzeuge. Kern hatte schon 2017 einen derartigen Rundenrekord auf der anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt erzielt.

Manthey feiert siebten Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography
Manthey feiert siebten Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography

Schnitzelalm-Teamchef gibt Abmelde-Grund offen zu

Übrigens: Neben Manthey gab es nach Informationen von Motorsport-Magazin.com insgesamt elf Teams, die während des Rennens aus unterschiedlichen Gründen ursprünglich genannte Fahrer abmeldeten. In den meisten Fällen mit Blick auf die Performance: Beim Team Schnitzelalm Racing saßen sogar zwei der eigentlich vier genannten Fahrer beim SP10-Klassensieg nicht am Steuer.

Ohne Umschweife erklärte Schnitzelalm-Teamchef Thomas Angerer ganz offen die Gründe: "Leider mussten wir die schwierige Entscheidung treffen, unsere beiden Piloten Tim Neuser und Reini Renger von unserem SP10-Fahrzeug abzumelden. Die beiden saßen vor dem Rennabbruch noch nicht im Auto und kannten somit die Bedingungen auf der Strecke nicht. Nachdem beim Restart nur noch so wenig Restzeit auf der Uhr war, haben wir uns entschieden, Marcel und Marek das Rennen zu Ende fahren zu lassen, weil sie mit den Gegebenheiten auf der Strecke vertraut waren."