Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ging der Kampf um die LMP2-Krone bis auf die letzten Meter. Nachdem der #41-Prototyp von WRT (Kubica/Yifei/Deletraz) kurz vor Rennende ausgerollt war, duellierten sich Robin Frijns im WRT-Oreca #31 mit JOTA-Pilot Tom Blomqvist (#28) auf der letzten Runde im direkten Duell um den Klassensieg.

Frijns gewinnt Kampf ins Ziel

Obwohl Blomqvist schneller war, fand er keinen Weg vorbei. Frijns musste bis zur Zielflagge alles riskieren. Dort kam es dann allerdings beinahe zu einer Katastrophe. Denn eine der Eigenheiten des Langstrecken-Klassikers auf dem 13,626-Kilometer langen Circuit de la Sarthe ist, dass das Rennen noch wie anno dazumal von einer auf der Strecke stehenden Person abgewunken wird.

Normalerweise ist das kein Problem, da sich im Laufe des Endurance-Events Abstände bilden und die Fahrer die Zielüberquerung in einem gemächlichen Tempo zelebrieren. So wie etwa die beiden Toyotas, die sich kurz vor Schluss in eine Teamformation brachten, um den Doppelsieg mit einer gemeinsamen Überquerung der Ziellinie zu feiern. Viele andere Piloten taten es ihnen gleich und ließen das Rennen nach der Ausfahrt aus der letzten Schikane austrudeln.

Beinahe-Kollision mit Flagman

Frijns und Blomqvist pushten aber aufgrund des LMP2-Zweikamps noch voll und liefen auf Start-Ziel auf eine Gruppe auf. Der Duqueine-Oreca #30 mit Rene Binder am Steuer rollte langsam auf die Ziellinie zu, während neben ihm der in der LMGTE-Pro-Klasse erfolgreiche AF-Corse-Ferrari ebenfalls mit gedrosselter Geschwindigkeit und unter Einsatz der Lichthupe die letzten Meter absolvierte.

Frijns scherte weit nach rechts aus, um nicht vom Gas gehen zu müssen. Dort stand allerdings der Flagman und es kam beinahe zur Kollision. Glücklicherweise sprang der Mann mit der karierten Flagge noch früh genug zur Seite, um nicht von dem LMP2-Prototyp erwischt zu werden.

"Ich bog nach rechts ab und steuerte umgehend nach links, als ich den Mann sah, der in der Mitte der Rennstrecke die Zielflagge schwenkte", erklärte Frijns die Situation auf Start-Ziel gegenüber dem französischen Medium Auto-Hebdo. "Wenn ich ihn getroffen hätte, wäre er gestorben", sagte Frijns fassungslos, "es war knapp. Es müssen 50 Zentimeter oder so gewesen sein."

Am Ende ging nochmal alles gut aus und der ehemalige DTM-Pilot gewann gemeinsam mit Ferdinand-Habsburg und Charles Milesi beim Le-Mans-Debüt von WRT die LMP2-Wertung. Sowohl Habsburg als auch für Frijns gelang somit der Sieg bei ihrem allerersten Start.

Tradition gegen Sicherheit

Nach diesem Schreckmoment ist es fraglich, ob wir in Zukunft die Tradition, dass die karierte Flagge auf der Strecke geschwenkt wird - und nicht wie üblich hinter einem schützenden Fangzaun - im nächsten Jahr bei den 24 Stunden von Le Mans noch einmal erleben. Es wäre nicht die erste Tradition, die an der Sarthe aufgrund von Sicherheitsbedenken aufgegeben wird.

Der Start des 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955., Foto: Sutton
Der Start des 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955., Foto: Sutton

Bis in die späten 60er-Jahre wurde das Rennen gestartet, indem die Fahrer nach dem Startsignal zu ihrem Fahrzeug liefen, um dieses in Gang zu setzen. Das führte dazu, dass sich viele Piloten in der Eile nicht ordnungsgemäß am Sicherheitsgurt anschnallten. 1969 verunglückte der Brite John Woolfe auf der ersten Runde tödlich, nachdem er den Gurt nicht richtig angezogen hatte. 1970 wurde der traditionelle Start abgeschafft.

Frijns' Formel-E-Kollege Lucas di Grassi sprach sich auf Twitter mit deutlichen Worten für eine Änderung aus, damit brenzlige Situationen wie am Sonntag nicht mehr vorkommen. "Traditionen und alte Bräuche im Motorsport müssen sich ändern, wenn sie überhaupt keinen Sinn machen. Heute gab es der der LM24 das perfekte Beispiel dafür, dass wir Le Mans nicht mit einem Mann auf der Strecke beenden können", schrieb Di Grassi.