Toyota und Le Mans - da ist das Drama traditionell meist nicht weit entfernt. Selbst bei der diesjährigen, 87. Ausgabe des französischen Langstrecken-Klassikers hatten Glück und Pech einen entscheidenden Anteil am Ausgang über den Sieg.

Dass die Japaner - quasi ohne Konkurrenz - einen Doppelsieg an der Sarthe einfahren würden, stand zu keinem Zeitpunkt in Frage. Dass Fernando Alonso, Sebastien Buemi und Kazuki Nakajima ihren Erfolg aus dem Vorjahr wiederholen würden, damit hatte allerdings niemand gerechnet.

Und 23 Stunden lang im Rennen deutete auch nur wenig darauf hin, dass es anders kommen könnte. Doch dann schlug wieder einmal das alte Sprichwort zu, das bei derartigen Vorfällen nur zu gern herangezogen wird: Le Mans sucht sich seine Sieger selbst aus.

Und offenbar wollte das legendäre Rennen diesmal nicht, dass sich der #7 Toyota mit Jose Maria Lopez, Kamui Kobayashi und Mike Conway in die Siegerliste eintragen darf. Eine Stunde vor dem Rennen verlor das im Vergleich zum Schwesterauto schnellere Auto den schon sicher geglaubten Sieg auf zugleich dramatische und kuriose Art und Weise.

Keine Liebe für Le Mans

"Jetzt gerade mag ich Le Mans nicht", sagte Kobayashi kurz nach Rennende mit einem schiefen Grinsen. Dem früheren Formel-1-Fahrer blieb es auch im vierten Anlauf versagt, die Siegertrophäe auf dem Podium entgegenzunehmen. "Das ist sehr schwer zu verdauen, aber so läuft es manchmal im Motorsport."

Wie es dazu kommen konnte, dass das Pendel so kurz vor Rennende in Richtung des #8 Toyota ausschlug, war mehr als kurios. Lopez fuhr den Schluss-Stint im #7 TS050, der das Rennen ab der Nacht mit komfortablen zwei Minuten Vorsprung anführte. Eine sichere Bank und das Toyota-Kollektiv hatte sich auf einen entsprechenden Zieleinlauf vorbereitet.

Kapitale Panne

Auf Lopez' Display tauchte plötzlich die Benachrichtigung über einen Reifenschaden auf. Der Argentinier verlangsamte, konnte aber mit weiter gutem Tempo die Toyota-Box ansteuern. Die Crew wechselte den rechten Vorderreifen, der vermeintlich beschädigt sein sollte. Doch tatsächlich gab es einen Fehler in der Sensorik: nicht der rechte Vorder- sondern der rechte Hinterreifen hatte einen Platten.

Das kostete Lopez und Co. den Sieg. Der mehrfache Tourenwagen-Weltmeister bemerkte das Malheur recht bald und musste mit maximal 100 km/h Tempo über die 13,626 Kilometer lange Strecke schleichen. Und auf dem Weg zum nächsten und letzten Reifenwechsel hilflos mitansehen, wie #8 Schlussfahrer Nakajima ihm die Führung entriss und damit auch den Sieg.

"Ich hatte nur noch 0,5 bar im Reifen, ich konnte nicht schneller fahren", erklärte Lopez. Und weiter: "In den letzten Runden habe ich nur noch geweint, das war brutal." Erst beim zweiten Boxenstopp tauschte die Mannschaft alle vier Reifen am #7 TS050. Zuvor sollte einer reichen, weil keine frischen Michelin-Sätze mehr zur Verfügung standen. Das letzte verfügbare Reifenset hatte bereits vier Stints auf dem Gummi, sie hätten deshalb ein potenzielles Risiko bedeuten können. Verrückte Welt in der Boxengasse von Le Mans.

Alonso: Hatten den Sieg nicht verdient

Bei Toyota wollte nach dem zweiten Sieg bei der 20. Teilnahme zunächst keine überschwängliche Freude aufkommen. Die Stimmung bei der anschließenden Pressekonferenz war gedämpft. Alonso, im Vorjahr noch mit Lorbeer-Siegerkranz um den Hals in der PK sitzend, verzichtete diesmal auf derartigen Schmuck oder sonstige Jubelstürme. Die einzige Gemeinsamkeit zu 2018: Der Spanier erschien wieder einmal als Letzter im Pressesaal.

"Auf der Strecke hatten wir den Sieg nicht verdient", stellte Alonso dann fest. "Aber das Glück spielt manchmal eine große Rolle im Motorsport. Das ist unglaublich hart. Ich selbst habe so etwas auch schon erlebt, als ich um den Formel-1-Titel gekämpft habe, 2007 mit McLaren, dann 2010 und 2012 mit Ferrari. Wenn du es am Ende nicht schaffst, fühlt sich das schlecht an."

Alonsos Zukunft

Für Alonso war es die vorerst letzte Gelegenheit, mit Toyota einen Titel zu holen. Sein Vertrag endet nach zwei Saisons mit den Japanern. "Ich wollte mir ein paar Freiheiten offenlassen", sagte der nun zweifache Le-Mans-Sieger, der weiter ein Geheimnis um seine sportliche Zukunft macht. "Aber ich komme zu 100 Prozent zurück in die WEC. Das ist nur eine kurze Pause."

Mit dem Sieg machten Alonso und Co. gleichzeitig den Gewinn der Fahrer-Weltmeisterschaft in der WEC perfekt. Damit ist der Spanier der erst zweite Fahrer, der in zwei unterschiedlichen Vierrad-Serien einen WM-Titel gewinnen konnte. Mit dem Weltmeisterschafts-Gedanken im Hinterkopf hatte der #8 Toyota auch das Rennen bestritten: weniger risikoreich als das Schwesterauto und damit auch ein wenig langsamer.

Buemi: Waren nicht die Schnellsten

"Wir sind nach Le Mans gereist und wussten, dass wir die WM verlieren könnten", bestätigte Buemi, das große Drama von 2016 mit dem in letzter Sekunde verlorenen Le-Mans-Sieg noch immer im Hinterkopf. "Wir wollten schauen, ob wir hier mit der #7 kämpfen können. Aber schon nach den ersten fünf Runden war klar, dass das kaum klappen würde. Im Rennen waren wir zwar stärker, aber nicht die Schnellsten."

Dass die #7 in der Tat das schnellere Auto war, zeigte sich nicht erst, als Mike Conway die schnellste Rennrunde in der Geschichte von Le Mans erzielte. Sondern bereits zuvor im Qualifying, als der Brite zur Pole Position vor dem Schwester-TS050 fuhr.

Schon hier spielten Glück und Pech möglicherweise eine Rolle. Im Nacht-Qualifying wurde Conway in eine Kollision verwickelt, woraus ein Wechsel des Chassis der #7 vor dem Rennen resultierte.

"Wir sind deshalb zum Setup aus dem vergangenen Jahr gewechselt", sagte der Zweitplatzierte Kobayashi. "Ehrlich gesagt, hat mich unsere Pace selbst ein wenig überrascht." Ebenso überraschend fiel das Ergebnis dann wie im vergangenen Jahr aus...