Was hält die Zukunft wirklich für die 24 Stunden von Le Mans und die WEC-Langstreckenweltmeisterschaft bereit? Am Rande des diesjährigen Klassikers entlang der Sarthe gaben der Automobile Club de l'Ouest und die WEC weitere Details zum Hypercar-Reglement bekannt, das in seinen Grundzügen vor genau einem Jahr vorgestellt wurde und künftig die LMP1-Topklasse ablösen wird.

Ab der Saison 2020/21 sollen Hypercars mit unterschiedlichen Konzepten die schwächelnde Top-Kategorie ersetzen, in der Toyota seit einem Jahr quasi konkurrenzlos von Sieg zu Sieg eilt. Der ACO macht nun die Türen für interessierte Hersteller weit auf, indem er sich von seiner ursprünglichen Idee verabschiedete und nun auch Straßenderivate in der neuen Klasse zulässt.

Einzige Auflage: In einem Zeitraum von zwei Jahren müssen 20 Stück dieses Fahrzeugs produziert werden. Die Rennfahrzeuge werden für einen Zeitraum von fünf Jahren homologiert. Außerdem steht es den Herstellern nun frei, ob sie ein Hybrid-System einsetzen oder nicht.

Am Rande des 24-Stunden-Rennens sind mit Toyota und Aston Martin zwei Hersteller vorgeprescht, die sich zum neuen Reglement bekannt haben. Weitere Hersteller sollen folgen. Doch große Player wie Porsche oder McLaren wollen die Entwicklung zunächst gründlich bewerten. "Die WEC und Le Mans bleiben interessant für Hersteller", heißt es etwa beim Sportwagenbauer aus Weissach.

Das gesamte Hypercar-Projekt war von großer Zeitnot getrieben. Noch vor zwei Wochen stand etwa bei Aston Martin nicht einmal fest, ob das Programm umgesetzt werden soll. Unterdessen zeigte Toyota in Le Mans erste Filmaufnahmen des neuen Prototypen, der mit einem Hybrid-Antrieb versehen sein wird.

Doch auch bei Toyota herrscht angesichts der kurzfristigen Reglement-Änderungen und langen Diskussionen Zeitnot. "Wir sind nicht glücklich, dass es so spät geworden ist", erklärte Toyota Motorsport GmbH Vize-Präsident und Team Direktor Rob Leupen in Le Mans. "Wir haben seit Dezember versucht, einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten. Das ging nicht immer, weil nicht alles bestätigt war. Und in der Zwischenzeit ist vieles passiert."

Wie knapp die Zeit dieses richtungsweisendes Projektes war, zeigt dieses Beispiel: In Le Mans konnte Aston Martin CEO Andy Palmer noch nicht bestätigen, ob der zum Einsatz kommende Aston Martin Valkyrie mit oder ohne Hybrid fahren wird. "Der Punkt ist, wir haben kein Problem mit der Power", sagte Palmer. "Wir müssen das Auto ohnehin de-tunen, um dem Reglement zu entsprechen."

Sollte sich ein Hersteller für ein Hybrid-Fahrzeug entscheiden, darf die Hybrid-Einheit maximal 200 KW (ca. 270 PS) leisten. Die gesamte Systemleistung der Fahrzeuge soll bei rund 750 PS liegen, ursprünglich waren knapp 1000 PS anvisiert. Der Hybrid-Boost darf im Trockenen erst bei 120 km/h einsetzen, im Regen visiert man einen Wert im Bereich zwischen 140 und 160 km/h an. Durch die neuen Gegebenheiten ist auch ein Einsatz von nicht-hybriden Hypercars wie etwa dem McLaren Senna möglich.

Toyota versicherte im Zuge der Vorstellung, dass beim Hypercar-Reglement die Hybrid-Möglichkeit Voraussetzung gewesen sei. "Für uns war Hybrid unumgänglich", sagte Leupen. "Sonst wären wir nicht dabei gewesen." Es sei schade, dass es nun auch die Möglichkeit bestehe, ohne einen Hybrid-Antrieb in der Hypercar-Kategorie anzutreten.

Von der Equivalence of Technology (EoT), mit der man die LMP1-Fahrzeuge versucht anzugleichen, nimmt der ACO künftig Abstand. Stattdessen soll eine klassische Balance of Performance in Kraft treten, analog zur GTE-Pro-Klasse auf automatisierter Basis mittels komplizierter Algorithmen. Dieses BoP-System implementierte man bei den GTEs erfolgreich in der Saison 2017.

Ein Vorhaben, das auch bei jetzt bei Aston Martin begrüßt wird. Andy Palmer: "Man muss jetzt nicht mehr Millionen Dollar ausgeben, um für das letzte Gramm Gewicht zu kämpfen. Die Eintrittskosten sowie die jährlichen Ausgaben sinken dadurch dramatisch. Es wird erschwinglicher Motorsport. Und für uns ist es wichtig, auch profitabel Motorsport betreiben zu können."

Das Mindestgewicht der Fahrzeuge steigt im Gegensatz zur LMP1-Klasse deutlich an. Der ACO verkündete einen Wert von 1.100 Kilogramm. Damit sind die neuen Hypercars zwischen 200 und 300 Kilogramm schwerer als ihre LMP1-Vorgänger. Um die Performance der Fahrzeuge noch stärker im Griff zu haben, werden für die neuen Hypercars zudem Einheits-Benzin und Einheits-Reifen eingeführt.

All diese Änderungen wirken sich drastisch auf die Performance der Fahrzeuge aus. Der alte Richtwert von 3:30 Minuten für eine Le-Mans-Runde im Renntrimm soll wieder gelten. "Das ist einiges langsamer als heute", sagte Rob Leupen. "Wie wir uns selber kennen und auch unsere möglichen Konkurrenten, werden wir versuchen, diese Zeit zu verringern. Ich glaube, dass 3:30 Minuten ein bisschen hochgegriffen sind."

Zum Vergleich: Kamui Kobayashi fuhr bei seiner Qualifying-Rekordrunde im Jahr 2017 eine 3:14.7er-Zeit! Damit steht auch fest, dass die LMP2-Klasse wieder eingebremst werden muss. Im Qualifying fahren die kleinen Prototypen Rundenzeiten im Bereich von 3:25 Minuten.

Leupen in aller Deutlichkeit mit Blick auf die neue Hypercar-Klasse: "Es ist Aufgabe des ACO und der FIA, das zu organisieren. Wir sind weiter die Top-Kategorie, das wollen wir auch sein. Das heißt, dass andere Klassen in der WEC entsprechend angepasst werden müssen. Oder, dass wir schneller gemacht werden müssen."

Von einer Budget-Obergrenze ist übrigens in den neuen Regeln keine Rede mehr. Bei der ursprünglichen Verkündung der neuen Klasse wurde ein Maximalwert von 25 Millionen Euro für ein Team mit zwei Fahrzeugen festgesetzt. Nun heißt es nur noch: "Hohe Ausgaben werden keinen Performance-Vorteil mit sich bringen."

Leupen rechnete damit, dass die Gesamtentwicklungskosten im Vergleich zum aktuellen LMP1-Programm um mindestens 40 Prozent sinken werden. Auch, weil die Hypercars für eine Dauer von fünf Jahren homologiert werden sollen. Macht Toyota also mindestens so lange WEC? Leupen: "Wir machen das nicht, um nur für ein Jahr dabei zu sein. Wir wollen unser eigenes Vermächtnis aufbauen."