Bereits seit einigen Jahren ist die GTE-Pro die heimliche Königsklasse bei den 24 Stunden von Le Mans. Nicht nur die Zahl der Hersteller (fünf) übersteigt jene der LMP1 deutlich. Auch das Racing der insgesamt 13 Boliden verspricht höchste Unterhaltung. Als Titelverteidiger geht Ford in das Rennen, die Kritik an der Balance of Performance (BoP) im vergangenen Jahr war jedoch groß. Hinter vorgehaltener Hand sprach man davon, Ford sollte der Weg zum Sieg beim Comeback erleichtert werden. Das ist aber Vergangenheit, in diesem Jahr werden die Karten neu gemischt.

Das GTE-Kräfteverhältnis in Spa

Die Generalprobe in Belgien wurde zum Schaulaufen für AF Corse. Die Ferrari-Truppe fuhr einen souveränen Doppelsieg ein und zeigte dabei bemerkenswerte, teaminterne Zweikämpfe. Ford war in den Ardennen zweite Kraft, musste jedoch die Siegträume durch zahlreiche Zwischenfälle früh begraben. Umgekehrtes Bild dann allerdings beim Vortest in Le Mans: Ferrari und Ford zierten das Ende des Feldes, während Corvette und Porsche auftrumpften. Als Reaktion darauf passten die Regelhüter die Balance of Performance noch einmal an und verpassten den Amerikanern einen engeren Luftmengenbegrenzer.

Die aktuelle Balance of Performance

Nach den Daten der ersten Saisonrennen und den Entwicklungen bei den Vortests gelten zumindest bis einschließlich des Qualifyings folgende Bestimmungen für die fünf Hersteller:

MindestgewichtLuftmengenbegrenzerLadedruckTankinhalt
Ferrari 488 GTE1.268 kg-1,67 bar91 Liter
Ford GT1.268 kg-1,42 bar97 Liter
Porsche 911 RSR1.258 kg30,1 mm-100 Liter
Aston Martin Vantage1.193 kg29,8 mm-103 Liter
Corvette C7.R1.243 kg29,5 mm-96 Liter

Ferrari vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Ferrari, genauer gesagt das Einsatzteam von AF Corse, reist mit breiter Brust zum Saisonhöhepunkt. In der neu-geschaffenen WM-Wertung führen die Italiener die Herstellerwertung an, die Generalprobe in Spa entschied man überlegen für sich. Ferrari ist daher mehr als nur ein Geheimfavorit auf den Sieg an der Sarthe. Wie gewohnt schickt das Team um Amato Ferrari zwei Autos in der Profi-Klasse ins Rennen, gespickt mit Granaten der Motorsportwelt. Die Balance of Performance verschafft Ferrari zusammen mit Ford das höchste Mindestgewicht.

Doch nicht nur AF Corse bringt einen Ferrari 488 GTE an den Start. Aus der amerikanischen IMSA-Serie gesellt sich auch Risi Competizione hinzu. Auf dem Ferrari mit der #82 fährt neben Toni Vilander und Ex-Formel-1-Pilot Giancarlo Fisichella auch der Deutsche Pierre Kaffer. "Ich bin extrem gespannt, wie sich der Wettbewerb in unserer GTE-Pro-Kategorie darstellen wird. Es kämpfen insgesamt fünf Werke gegeneinander. Wir mischen da als kleines Privatteam mit, werden uns aber keineswegs verstecken", kündigte Kaffer, im letzten Jahr noch für ByKolles in der LMP1 unterwegs, an.

Ford vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Im vergangenen Jahr fuhr Ford zum Klassensieg in Le Mans, Foto: Adrenal Media
Im vergangenen Jahr fuhr Ford zum Klassensieg in Le Mans, Foto: Adrenal Media

Es war das spektakuläre Comeback des Vorjahres. Ford kehrte exakt 50 Jahre nach dem historischen Sieg zurück und sicherte sich gleich den Klassensieg. Doch ganz frei von Kritik war der Erfolg nicht. Sandbagging wurde den Amerikanern unterstellt, zudem soll erhöhtes Interesse an einem erfolgreichen Abschneiden der Traditionsmarke bestanden haben. Nicht zuletzt setzte Ford gleich vier Fahrzeuge ein. Erfolg mit allen Mitteln lautete die Devise.

Zumindest an der Quantität hat sich in diesem Jahr jedoch nichts geändert. Wieder schickt Ford vier Autos zum Klassiker, zwei aus der WEC, zudem die beiden Fahrzeuge aus der IMSA-Serie. "Wir verteidigen unseren Vorjahressieg in dem Wissen, dass man ein unglaubliches Engagement zeigen muss, um zu gewinnen", weiß Raj Nair, Nordamerika-Präsident der Ford Motor Company. Den Sieg im vergangenen Jahr fuhr das Trio Joey Hand, Dirk Müller und Sebastien Bourdais ein. Der Franzose musste nach seinem schweren Unfall beim Indy 500 jedoch absagen, ihn ersetzt IndyCar-Kollege Tony Kanaan.

"Natürlich wird es ohne Seb nicht dasselbe sein", weiß Hand um die Bedeutung Bourdais'. "Aber wir sind ein starkes Team und bereit dafür." Einen Podestplatz peilt auch Stefan Mücke an, der zusammen mit Olivier Pla und Billy Johnson 2016 Rang vier belegte. "Wir haben nicht das Resultat bekommen, das wir wollten. Aber das ist Le Mans", sagte Mücke im Vorfeld des Klassikers.

Im bisherigen Saisonverlauf lief es für Mücke und seine Kollegen jedoch noch nicht ganz nach Wunsch. Rang vier beim Saisonauftakt in Silverstone folgte Platz drei in Spa. Die Pace für den Sieg sollte jedoch da sein, was Harry Tincknell und Andy Priaulx mit dem Sieg in Silverstone bewiesen. Im Vergleich zu Ferrari steht in Le Mans aber deutlich weniger Ladedruck für den Turbomotor zur Verfügung.

Porsche vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Der Porsche 911 RSR wurde für 2017 komplett überarbeitet, Foto: Porsche
Der Porsche 911 RSR wurde für 2017 komplett überarbeitet, Foto: Porsche

Trotz der Krise im Volkswagen-Konzern kehrt Porsche neben dem Werkseinsatz in der LMP1 auch in der GTE-Klasse werksseitig zurück. Der 911 RSR wurde komplett überarbeitet und feiert in diesem Jahr Premiere. 2016 war man in Le Mans chancenlos. Mit Proton führte ein Privatteam den Einsatz des veralteten Boliden durch, zudem fühlte man sich bei Porsche durch die Balance of Performance derart benachteiligt, dass sogar Tränen flossen. Alles Schnee von gestern, man peilt nun den ersten Doppeltriumph in LMP1 und GTE-Pro an.

Zwei vollwertig werksunterstützte Boliden schickt Porsche ins Rennen. Neu bei den Weissachern ist Dirk Werner, der von BMW verpflichtet wurde und nun erstmals seit 2011 in Le Mans an den Start geht. "Für mich ist es immer eine große Ehre, beim größten Rennen der Welt am Start zu sein. Vor allem in diesem Jahr mit Porsche, dem Unternehmen, das als erfolgreichster Hersteller Le-Mans-Geschichte geschrieben hat", sagte Werner.

Richard Lietz dagegen ist ein alter Hase an der Sarthe und immer noch absolut begeistert vom Rennen. "Wenn ich nicht als Fahrer dabei wäre, würde ich mir eine Eintrittskarte kaufen und mich mit meinen besten Kumpels auf die Tribüne setzen. Mit seiner Faszination und vor allem auch seiner Tradition steht Le Mans für mich auf einer Stufe mit Klassikern wie dem Grand Prix von Monaco und dem Indy 500", stellt er klar.

Trotz aller Euphorie ist jedoch fraglich, wie stark Porsche wirklich sein wird. Die bisherigen Saisonrennen in der WEC verliefen durchwachsen. Frederic Makowiecki und Richard Lietz fuhren in Silverstone auf Platz drei, in Spa sprang nur Rang fünf heraus. Dagegen sah die Leistung beim Vortest in Le Mans schon deutlich stärker aus, Rang zwei und drei standen zu Buche. Die BoP erlaubt Porsche ein zehn Kilogramm leichteres Auto als Ferrari und Ford, zudem hat man von den drei Herstellern mit Saugmotoren den größten Luftmengenbegrenzer zur Verfügung.

Aston Martin vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Aston Martin wartet auf einen sportlichen Erfolg in Le Mans, Foto: Speedpictures
Aston Martin wartet auf einen sportlichen Erfolg in Le Mans, Foto: Speedpictures

Aston Martin lechzt nach einem Top-Ergebnis in Le Mans. In der Top-Klasse GTE-Pro gelang zuletzt 2013 mit Rang drei der Sprung auf das Podium, in der Amateur-Klasse konnte man 2014 siegen. Doch seitdem gelang mit keinem einzigen Auto mehr ein Platz auf dem Podium. "Le Mans ist eines der Wochenenden, auf die ich mich immer ganz besonders freue und es ist eine Ehre, 2017 wieder mit dabei zu sein", sagte Darren Turner. Turner gehört zum Inventar bei Aston Martin, seit 2005 ist er für die Briten in Le Mans im Einsatz. 2007 und 2008 feierte er jeweils den Klassensieg.

Zum zweiten Mal nach 2016 setzt Aston Martin zwei Autos in der GTE-Pro ein. Turner aber ist nicht mehr an der Seite von Nicki Thiim und Marco Sörensen unterwegs, sondern wurde in das zweite Auto versetzt, wo er sich nun mit Jonathan Adam und Daniel Serra das Cockpit teilt. Im Auto mit der #95 ist nun dagegen Richie Stanaway unterwegs. Rein sportlich wusste Aston Martin in dieser Saison bislang nicht zu überzeugen. In der Hersteller-WM liegt man auf dem letzten Platz, einen Podestplatz gab es in den zwei Rennen noch nicht.

Entsprechend sieht die Balance of Performance für die Briten einige Zugeständnisse vor. Das Gewicht ist das geringste aller GTE-Pro-Autos, der Unterschied zu Ferrari und Ford beträgt 75 Kilo. Zudem ist der Tankinhalt mit 103 Litern größer als bei allen anderen Herstellern.

Corvette vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Corvette dominiert die IMSA-Serie 2017, Foto: Adrenal Media
Corvette dominiert die IMSA-Serie 2017, Foto: Adrenal Media

Last but not least die amerikanischen Gaststarter von Corvette. Wie inzwischen zur Tradition geworden, sind die Hubraum-Monster auch in diesem Jahr in Le Mans dabei. Zwei C7.R schickt die General-Motors-Marke an die Sarthe, um dort nach 2015 erneut den Klassensieg einzufahren. Insgesamt kommt Corvette bislang auf acht Klassensiege. 2017 werden die Amerikaner zum 18. Mal in Folge am Start sein, kein anderer diesjähriger Teilnehmer im gesamten Feld kommt auf solch eine Bilanz.

"Je weiter man sich zeitlich vom letzten WM-Sieg entfernt, desto mehr will man den Sieg wiederholen", sagte Antonio Garcia, der zuletzt 2011 gewann. "Seither hatten wir gute Chancen, den Sieg zu wiederholen, etwa 2014, als wir Zweite geworden sind. Mein Fokus liegt darauf, diese Chance am Ende des Rennens wieder zu haben", so der Spanier. Prominenter Neuzugang bei Corvette ist Marcel Fässler, der nach dem Ausstieg von Audi frei verfügbar war. Der Schweizer gewann das Rennen dreimal und weiß um die Tücken, eine derartige Konkurrenz mit so vielen Herstellern aber kennt er nicht.

"Ich muss sagen, dass es ein sehr, sehr hartes Rennen wird mit extremer Intensität gegen all die Hersteller. Wenn es so ähnlich wird wie Sebring oder Daytona, dann wird es ein sehr intensiver Kampf", stellt er klar. Sportlich war Corvette in dieser Saison bislang nur in der amerikanischen IMSA-Serie unterwegs und konnte von den bisherigen vier Rennen drei gewinnen. Bei den Vortests fuhr man die schnellste Ziet, was die Veranstalter um den ACO auf den Plan rief. Von den drei Saugmotoren-Fahrzeugen bekam man den engsten Luftmengenbegrenzer und zudem den kleinsten Tankinhalt.