Wie schnelllebig die LMP1-Welt geworden ist, zeigt das Beispiel Toyota: Im Vorjahr als haushohe Favoriten in die 24-Stunden-Hatz gestartet, tritt die Mannschaft aus Köln dieses Jahr eher als Geheimtipp an, sollte bei Porsche und Audi etwas schieflaufen. Der Start in die Saison lief alles andere als zufriedenstellend, insbesondere die Performance in Spa-Francorchamps war eine schallende Ohrfeige. Toyota ist deutlich schneller als im Vorjahr, doch die deutsche Konkurrenz hat noch größere Fortschritte gemacht.

Dass man in Le Mans eine Saison, in der der Speed des Autos nicht reicht, durchaus retten kann, hat nicht zuletzt das Beispiel Audi im vergangenen Jahr gezeigt. Mit dem Le-Mans-Kit waren die R18 siegfähig. Von dieser Form war Toyota beim offiziellen Test aber weit entfernt. Das Team war angesichts eines Rückstands von vier Sekunden auf die Porsche-Bestzeit mit der Performance bei Trockenheit nicht zufrieden. Somit stapelt Toyota tief: "Wir gehen in Le Mans nicht als Favoriten an den Start", sagt Teamchef Toshio Sato, Weltmeister Anthony Davidson spricht gar von "Underdogs".

Das wichtigste für das Weltmeister-Team: Kazuki Nakajima ist wieder einsatzbereit und wird an der Seite von Anthony Davidson und Sebastien Buemi fahren. "Wir sind sehr happy darüber, und da spreche ich für das gesamte Team", so Sato. Das Weltmeisterfahrzeug hat einiges aufzuholen: Technische Probleme in Spa warfen das Trio in der WM-Wertung auf Platz vier zurück. Umso entschlossener gibt Davidson zu Protokoll: "Ich bin dieses Jahr absolut bereit für Le Mans. Ich denke, im Vorjahr die Weltmeisterschaft gewonnen zu haben, ist dabei eine große Hilfe."

Toyota ist schneller als im Vorjahr, doch Audi und Porsche sind noch schneller, Foto: Toyota
Toyota ist schneller als im Vorjahr, doch Audi und Porsche sind noch schneller, Foto: Toyota

Keine Fehler machen und auf Chaos hoffen

Toyota hofft in erster Linie auf das häufig auftretende Le-Mans-Chaos: "Es ist als Rennen unvergleichlich, da kann so vieles passieren", sagt Buemi, , Nakajima fügt hinzu: "Wir haben noch vom Vorjahr vor Augen, dass es in Le Mans keine Gewissheit gibt, also hoffen wir, dass uns eine Überraschung gelingt." Alexander Wurz, der im zweiten der beiden Toyota T040 Hybrid fährt, bringt es auf den Punkt: "Das Rennen ist lang, gewaltig und brutal, wir werden ja sehen, wer am Ende nach 24 Stunden wo steht."

Daher will sich der frühere Formel-1-Pilot auch gar nicht so sehr an der Konkurrenz orientieren, sondern sich auf den eigenen Job konzentrieren: "Am wichtigsten ist, dass wir uns auf jene Dinge konzentrieren, die wir beeinflussen können: Die richtige Abstimmung für unser Auto finden, die richtige Strategie parat haben und keine Fehler machen." Auch Toshio Sato sieht den Schlüssel zum Le-Mans-Sieg in einem Null-Fehler-Job: "Wir werden im Rennen alles geben, Fehler vermeiden und wollen so wenig Zeit wie möglich in den Boxen verbringen. Ich glaube, dass wir mit dieser Herangehensweise an der Spitze mitfahren können."

Im Check: Toyota Gazoo Racing

Die Fahrer: Der Fahrerkader von Toyota wurde nur geringfügig verändert: Nicolas Lapierre ist bereits seit einiger Zeit nicht mehr dabei, dafür rückte Mike Conway nach. Alle Fahrer blicken auf Le-Mans-Erfahrung zurück; Mike Conway ist mit nur einem Start der Unerfahrenste, hat jedoch mit Alex Wurz (8 Starts) und Stephane Sarrazin (13 Starts) die zwei erfahrensten Piloten bei Toyota Racing als Teamkollegen. Wurz ist der einzige Le-Mans-Sieger im Aufgebot. Im Weltmeisterauto ist Anthony Davidson mit sieben Starts der erfahrenste Pilot an der Sarthe, Kazuki Nakajima und Sebastien Buemi kamen mit Toyota 2012 erstmals nach Le Mans und werden somit ihre vierte Teilnahme feiern.

In der Garage: Ein technisches Problem kostete die Weltmeister in Spa Punkte, Foto: Adrenal Media
In der Garage: Ein technisches Problem kostete die Weltmeister in Spa Punkte, Foto: Adrenal Media

Ein Fragezeichen schwebte lange über der Teilnahme von Kazuki Nakajima. Nach seinem schweren Unfall in Spa-Francorchamps sprach Toyota von einem Wunder, das nötig wäre, um ihn für Le Mans fit zu bekommen. Dieses ist nun eingetreten, Kamui Kobayashi kommt nicht zum Einsatz. "Das unterstreicht seine Einstellung und seine Entschlossenheit", lobt Toshio Sato den Polesetter des Vorjahres. "Meinen ersten Sieg habe ich in dieser Saison bereits errungen", freut sich der frühere F1-Pilot selbst, der außerdem den Ärzten in Verviers und Nizza dankte.

Speziell für Sarrazin als Franzosen ist Le Mans ein ganz spezielles Pflaster: "Wenn ich in der Startaufstellung stehe und all die Zuschauern auf den Tribünen sehe - manche rufen meinen Namen, die französischen Flaggen wehen - das ist schon etwas ganz Besonderes." Für Mike Conway wird es der erste Einsatz an der Sarthe in einem LMP1, deshalb hat er sich speziell vorbereitet: "Ich arbeite hart an meiner Fitness, deshalb fühle ich mich bereit und freue mich auf die Herausforderung." Alle sechs Fahrer zusammen bringen es auf 35 Le-Mans-Starts, das macht 5,8 Starts pro Fahrer.

Das Auto: Toyota leitete den TS040 Hybrid vom Vorgängermodell TS030 Hybrid ab. Mit dem robusten Modell, das auf einen V8-Saugmotor setzt, was Anfang 2014 von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen wurde, führte Toyota die deutschen Hersteller in der vergangenen WEC-Saison vor und holte den WM-Titel. Die Weiterentwicklung für 2015 erfolgte im Detail. Offensichtlichste Änderung ist der Vorderbau des Wagens, mit dem neben aerodynamischen Verbesserungen auch die Sicherheit verbessert wurde.

Alexander Wurz und Stephane Sarrazin können ihre Erfahrung an Mike Conway weitergeben, Foto: Toyota
Alexander Wurz und Stephane Sarrazin können ihre Erfahrung an Mike Conway weitergeben, Foto: Toyota

Die größten Änderungen stecken unter der Karosserie: Toyota hat insbesondere beim Hybridsystem noch einmal einen klaren Schritt nach vorn gemacht. Allerdings blieb hier der Entwicklungsspielraum begrenzt, da sich die Toyota Motorsport GmbH zum Verbleib in der Klasse bis sechs Megajoule entschieden hat. Die überarbeiteten Superkondensatoren ermöglichen es Toyota, die Energie besser über die Runde verteilt einzuspeisen. Hier bestand 2014 noch ein deutliches Defizit gegenüber der Konkurrenz.

Wie alle Hersteller hat Toyota ein eigenes Aero-Kit für Le Mans entwickelt, bleibt dabei aber weniger radikal als beispielsweise Audi. "Das derzeitige Reglement fördert es, die Unterschiede zwischen den beiden Versionen auf der Suche nach weniger Luftwiderstand gering zu halten, etwa bei Veränderungen an Heckflügel, Motorhaube und der Front", erklärte Pascal Vasselon, der Technische Direktor des Teams, bereits im März.

Technische Daten Toyota TS040 Hybrid

Das Toyota-Konzept: Saugmotor, mächtiger Hybrid-Boost, Foto: Toyota
Das Toyota-Konzept: Saugmotor, mächtiger Hybrid-Boost, Foto: Toyota

Einsatzteam: Toyota Gazoo Racing
Länge: 4650mm
Breite: 1900mm
Höhe: 1050mm
Motor: 3.7l V8, Benzin-Saugrohreinspritzung
Getriebe: 7-Gang sequenziell
Energierückgewinnung: 2x ERS-K
Energiespeicher: Superkondensatoren
Systemleistung: 1000 PS
Hybridklasse: 6MJ

Erfolgsbilanz in Le Mans: Für Toyota jährt sich der erste Einsatz in Le Mans in diesem Jahr zum 30. Mal, in diesem Zeitraum war Toyota insgesamt 16 Mal werksseitig vertreten. Immer wieder gelangen zweite Plätze, lediglich der große Wurf ist bislang ausgeblieben. Ende der 90er-Jahre waren die TS020 GT-One die schnellsten Fahrzeuge an der Sarthe, hatten aber stets Pech. Bei der Rückkehr im Jahre 2012 trat Toyota noch als Außenseiter an, kämpfte aber überraschend um die Führung. Ein Jahr später hingegen war man gegen die überlegenen Audi chancenlos. Die größte Chance bot sich 2014, doch wie einst beim GT-One fehlte das nötige Glück: Ein Auto verunfallte und holte noch P3, der lange führende TS040 Hybrid schied überlegen in Führung liegend mit einem Pfennigdefekt aus.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Nur die klassischen Defensivwaffen werden es Toyota ermöglichen, in Le Mans um den Sieg mitzufahren. Vom reinen Speed fuhr man in Spa und beim Test deutlich hinterher. Somit bleibt: Möglichst wenig Reifen wechseln, keine Fehler machen und darauf warten, dass die Gegner in Schwierigkeiten rennen. Neu ist die Situation für Toyota nicht, 2012 und 2013 war man in einer ähnlichen Situation. Damals hatte Audi die Nase stets vorn. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass sich Porsche und Audi gegenseitig in den Tod hetzen. (Heiko Stritzke)