Als die beiden verbliebenen Audi R18 e-tron quattro um 15 Uhr im Formationsflug vor 263.000 Zuschauern in Le Mans über die Ziellinie fuhren, sah alles so einfach aus. Hinter dem siegreichen Trio Marcel Fässler, André Lotterer und Benoît Tréluyer lag jedoch ein Rennen, das überreich an Spannung war. Es entschied letztlich jedoch nicht der reine Speed, sondern vor allem Zuverlässigkeit, taktische Flexibilität und Reaktionsvermögen bei Problemen - kurz: die klassischen Tugenden eines Langstreckenrennens. Lucas di Grassi, Tom Kristensen und Marc Gené wurden mit drei Runden Rückstand Zweite, während der einzig verbliebene Toyota TS040 Hybrid von Anthony Davidson, Nicolas Lapierre und Sébastien Buemi das Podium vervollständigte.

Toyota führt früh, Porsche verpasst Sensation nach Defekten

Toyota war mit Wurz, Sarrazin und Nakajima von der Pole in Führung gegangen, während der Schwesterwagen früh mit Problemen zurückfiel. Der Toyota duellierte sich lange mit dem Porsche von Mark Webber, Timo Bernhard und Brendon Hartley und dem Audi von di Grassi, Kristensen und Gené um die Führung. Als um 16:30 Uhr Regen einsetzte, wurde der dritte Audi von Albuquerque, Bonanomi und Jarvis von einem GTE-Ferrari abgeräumt und fiel dadurch aus. Bis in die Morgenstunden sah es gut Wurz, Sarrazin und Nakajima aus, doch ein defekter Kabelbaum nimmt den TS040 um 5 Uhr morgens aus dem Rennen.

Als an beiden R-18 am Morgen die Turbolader getauscht werden mussten, lag plötzlich der Porsche von Bernhard, Webber und Hartley in Führung. Doch Webber blieb das Rennpech treu: Der 919 hatte zwei Stunden vor Rennende keinen Vortrieb mehr und rettete sich in die Box. Den zweiten Porsche hatte da schon ein Getriebeschaden lahmgelegt. Fässler, Lotterer und Tréluyer mussten nun nicht mehr voll angreifen, da der Abstand von drei Runden auf di Grassi, Kristensen und Gené vergleichsweise entspannt war. Davidson, Lapierre und Buemi rückten auf den dritten Platz vor. Den vierten Gesamtrang erreichte der private R-One-Toyota von Rebellion Racing mit Nicolas Prost, Nick Heidfeld und Mathias Beche.

LMP2-Sieg für Zytek-Nissan, René Rast knapp an Podium vorbei

Bei den "kleinen" Prototypen herrschte an der Spitze eine bemerkenswert hohe Dichte, die für 24 Stunden harten Wettbewerb sorgte. Der Jota-Zytek mit Nissan-Motor von Simon Dolan, Harry Tincknell und Oliver Turvey hatte im Schlussspurt jedoch mehr Reserven als der TDS-Racing-Ligier (Thiriet/Badey/Gommendy), der von der Pole gestartet war.

Mit dem Abstand einer Runde wurde der Signatech-Alpine (Chatin/Panciatici/Webb) Dritter. Für GT-Ass René Rast endete das Debüt in Le Mans mit dem undankbaren vierten Platz im Loeb-Oreca (mit Charouz/Capillaire). Der Oak-Ligier (Brundle/Mardenborough/Shulzhitskiy) führte die LMP2-Klasse zwar lange an, war aber nicht zuverlässig genug.

Ferrari gewinnt GTE Pro nach Aston-Problemen

In der GT-Werkskategorie GTE Pro tobte über drei Viertel der Renndistanz ein wilder Kampf auf Augenhöhe zwischen Ferrari und Aston Martin (Turner/Mücke/Senna) - bis die Briten mit Problemen an der Servolenkung am Vormittag kapitulieren mussten und auf den fünften Klassenrang zurückfielen. Gianmaria Bruni, Toni Vilander und Giancarlo Fisichella im AF-Corse-Ferrari konnten es danach ihrer Fahrt zum Sieg etwas gemächlicher angehen lassen, da die Konkurrenz durch kleinere Probleme den Anschluss leicht verloren hatte.

Mit einer Runde Rückstand ergatterte die beste Corvette C7.R (Magnussen/García/Taylor) den zweiten Rang vor dem besten Porsche 911 (Holzer/Makowiecki/Lietz). Den Amerikanern fehlte beim ersten Einsatz des neuen Wagens in Le Mans nicht der Speed, sondern die Zuverlässigkeit. Der sechste Platz des ProSpeed-Porsche (Bleekemolen/MacNeil) dürfte sich für das Team wie ein Sieg anfühlen: Der in der Nacht zum Samstag vom Chassis aus neu aufgebaute Wagen musste von den zwei verbliebenen Piloten über die Distanz gebracht werden.

Dänen-Vantage dominiert GTE Am

Die Start-und-Ziel-Gerade in Le Mans bei Nacht, Foto: Sutton
Die Start-und-Ziel-Gerade in Le Mans bei Nacht, Foto: Sutton

Im letzten Jahr verunfallte Allan Simonsen im rein dänisch besetzten Aston Martin Vantage tödlich. In diesem Jahr gaben seine Landsmänner Niki Thiim, Kristian Poulsen und David Heinemeier Hansson in der mit 18 Fahrzeugen üppig besetzten GTE-Am-Kategorie ab der zweiten Rennhalbzeit den Ton an. Der Sieg des favorisierten Trios verschaffte der gebeutelten Aston-Martin-Truppe nicht nur eine kleine Genugtuung, sondern sorgte auch für ein halbwegs versöhnliches Ende eines zermürbenden Rennens. Das Schwesterfahrzeug (Dalla Lana/Lamy/Nygaard) musste wegen Überhitzungsproblemen die Führung abgeben und viel letztlich auf Rang sechs zurück.

Eine gute Mischung aus Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit hatte der Proton-Porsche (Ried/Bachler/Al Qubaisi), der mit drei Runden Rückstand Zweiter wurde. Die Ferrari-Armada konnte ihren quantitativen Vorteil nicht nutzen: gerade SMP Racing (Bertolini/Shaitar/Basov) war schnell, verlor aber den 458 Italia durch einen Unfall in den Porsche-Kurven. Letztlich war es AF Corse, die als Dritte mit Pérez Companc, Cioci und Venturi für Markenvielfalt auf dem Podium sorgten.

Elektro-Nissan der erste Ausfall

Der Nissan ZEOD RC, das Unikat der Klasse der experimentellen Fahrzeuge, vermochte nicht, zu überraschen: Ein Getriebeschaden nahm den Wagen schon nach 20 Minuten aus dem Rennen. Als Erfolg darf Nissan immerhin vermelden, eine Runde nur mit elektrischem Antrieb absolviert zu haben. 2015 kommt mit dem GT-R LM Nismo der neue LMP1-Bolide der Japaner, der hoffentlich von den Erfahrungen dieses Jahres profitieren kann.

Nach den Anstrengungen in Le Mans haben die Teams der WEC nun bis Ende September zur Analyse und Regeneration Zeit. Das Rennen im texanischen Austin leitet dann die zweite Rennhälfte ein, aber an diese denkt wohl nach dem Verlauf der 82. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans kaum jemand.